Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

Landesvorstand

Zur Novellierung der Sicherheitsgesetze in Brandenburg 2019 durch die rot-rote Koalition

Der Landesvorstand hat sich mit diesem Themenkomplex beschäftigt und folgenden Beschluss gefasst:

„Der Landesvorstand begrüßt ausdrücklich das Verhandlungsergebnis zum Polizeigesetz und unterstützt den Kompromiss des Koalitionsausschusses zu Polizeigesetz und Verfassungsschutzgesetz. Wir fordern die Landtagsfraktion auf, dem Polizeigesetzentwurf mit den zwischen den Koalitionsfraktionen vereinbarten und in der Beschlussvorlage des Innenausschusses enthaltenen Änderungen zuzustimmen.“


I.

Besteht überhaupt die Notwendigkeit zur Novellierung der Sicherheitsgesetze?

Selten ist der Koalition ein Kompromiss und der LINKEN die Zustimmung dazu so schwer gefallen. Wäre es nicht eine Option, das Gesetzespaket fallen zu lassen?

Dagegen spricht:

1. Im Koalitionsvertrag haben SPD und LINKE 2014 vereinbart:

  • Soziale und innere Sicherheit gehören für uns zusammen. Nur wo die Bürgerinnen und Bürger darauf vertrauen können, dass in ihrer Heimat sichere Verhältnisse herrschen, kann sich eine freie, lebenswerte und solidarische Gesellschaft auf Dauer entfalten.”
  • “Mit einer Sicherheitsoffensive werden wir energisch darauf hinwirken, vor allem die organisierte Kriminalität in Brandenburg deutlich zurückzudrängen.“
  • Aufgaben, Ressourcen und Befugnisse (des Verfassungschutzes) müssen den bestehenden aktuellen Anforderungen gerecht werden.

2. Dazu kommen aktuelle Anlässe und Bedingungen für die Überarbeitung der Sicherheitsgesetze:

  • Alle Bundesländer sind derzeit verpflichtet, ihre Polizeigesetze an europäische Datenschutzvorgaben und an die Verfassungsrechtsprechung zum besseren Schutz des Kernbereichs der privaten Lebensführung anzupassen.
  • Sollten sich in Auswertung der Arbeit der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum NSU-Skandal und des NSU-Prozesses in München Erkenntnisse ergeben, die Konsequenzen für die künftige Arbeit des Bundesamtes für Verfassungsschutz und der Landesämter für Verfassungsschutz sowie die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden haben, wird die Koalition dies berücksichtigen.” (Koalitionsvertrag 2014)

War der Weg, soziale und innere Sicherheit im Zusammenhang zu sehen, ein Irrweg? Hat er sich als nicht begehbar erwiesen? Hat er DIE LINKE zu unvertretbaren Kompromissen gezwungen?

Nein:

DIE LINKE in der Koalition ist dem komplexen Sicherheitsbegriff konsequent gefolgt.

➢ Wir haben 2015 ein Sozialstaatsversprechen abgegeben: Keine Abstriche am Sozialstaat in Brandenburg - gleiche Chancen für alle, die hier leben. Wir haben die Arbeit, die Angebote und die Zugänglichkeit von Kita und Schule in Brandenburg deutlich verbessert. Wir haben die Grundfinanzierung, die Präsenz und die Angebote der Hochschulen deutlich verbessert. Wir haben eine Mietpreisbremse eingeführt und die soziale Wohnraumförderung ausgeweitet.

➢ Wir haben zugleich in die Öffentliche Sicherheit investiert, wir haben Polizei und Feuerwehren gestärkt. Bei der Polizei haben wir hier die Personalstärke auf 8.280 Stellen erhöht - um 480 Stellen mehr, als wir es noch im Koalitionsvertrag von 2014 für möglich und notwendig gehalten haben. 2019 und 2020 werden jährlich 425 Polizeianwärterinnen bzw. -anwärter eingestellt. Und wir haben den Staat auch darüber hinaus gestärkt: Der Stellenabbau wurde gestoppt, die Stellenzahl erhöht, in die Attraktivität des Öffentlichen Dienstes investiert.

II.

Einigkeit besteht in der Koalition darin, dass Rechtsstaat und Demokratie gestärkt sowie zugleich Terrorismus und Organisierte Kriminalität konsequent bekämpft werden müssen. Erhebliche Differenzen gibt es in der Frage, welche Methoden und Institutionen zur Sicherung des Gewaltmonopols des Staates und zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit genutzt, wie sie gehandhabt und wie die rechtsstaatlichen Prinzipien dabei gewahrt werden sollen.

DIE LINKE geht ihrerseits von einem Dreiklang aus Bürgerrechten, Freiheitsrechten und Sicherheit aus. Wir fragen vor jeder vorgeschlagenen Verschärfung von gesetzlichen Bestimmungen, was an diesbezüglichen Regelungen und Möglichkeiten bereits besteht und wie effektiv es für den beabsichtigten Zweck genutzt wird - inwieweit also tatsächlich Bedarf an neuen Instrumenten besteht. Und wir prüfen auch sehr genau, inwieweit neue technische Möglichkeiten in Übereinstimmung mit rechtsstaatlichen Prinzipien und politischen Vorgaben zu bringen sind.

Hat sich DIE LINKE in Sachen Sicherheitsgesetze an dieses Herangehen gehalten? Hat sie etwas damit bewirkt?

Ja. Das war bereits vor der Eskalation der Spannungen in der Koalition deutlich:

  • Bereits im Koalitionsvertrag haben wir durchgesetzt, dass die Schlussfolgerungen aus den NSU-Untersuchungsausschüssen politisch umgesetzt werden.
  • Angesichts des Alleingangs des Innenministers beim Ausbau der Stellen im Verfassungsschutz haben wir daran festgehalten und dies zur entscheidenden Bedingung für die Novelle des Verfassungsschutz-Gesetzes gemacht.
  • Im Entwurf des Polizeigesetzes hatten wir bereits in einer früheren Phase folgende zentrale Punkte herausverhandelt, die ihrerseits im bayerischen PolG verankert sind:

○ keine Übernahme des Begriffs der “drohenden Gefahr” über das verfassungsgerichtlich gebilligte enge Feld der Terrorbekämpfung hinaus (Bayern führt es im allgemeinen Polizeirecht ein),

○ keine Online-Durchsuchung,

○ genetische Untersuchungen raus,

○ keine elektronische Fußfessel,

○ Sprengmitteleinsatz entschärft.

Es war unser Ziel, in Brandenburg ein Gegenstück zum bayerischen Polizeigesetz zu beschließen. Ein solcher Gegenentwurf war uns über weite Strecken auch gelungen.

  • Im parlamentarischen Verfahren konnten wir dann an einigen Punkten noch nachlegen:

○ die Meldeauflage wurde begrenzt: Während bisher die Polizei über die sog. Generalklausel anordnen konnte, dass Menschen, die im Rahmen zivilen Ungehorsams gegen das Versammlungsgesetz verstoßen hatten, vor kommenden Demos sich bei der Polizeidienststelle melden mussten („Meldeauflage“), ist das zukünftig ausgeschlossen. Denn die Meldeauflage ist ausdrücklich nur bei Versammlungsrechtverstößen mit Waffen zulässig.

○ Auch die bisher schon bestehende Schleierfahndungsregelung konnte durch ausdrückliche Bezugnahme auf das verfassungsrechtliche Diskriminierungs-/Racial-Profiling-Verbot eingehegt werden.

III.

Vor dem Hintergrund der koalitionsinternen Spannungen und angesichts des starken politischen Drucks, unter dem alle demokratischen Parteien derzeit stehen und der sich im Vorwahlkampf noch einmal verstärkt, sind in den letzten Wochen einige zentrale Fragen zu politisch hoch aufgeladenen Symbolthemen geworden:

  • Quellen-TKÜ - also die Telekommunikationsüberwachung nicht im (weithin verschlüsselten) Netz, sondern direkt am Gerät des Nutzers (Smartphone, PC etc.). Dazu bräuchte man direkten Zugriff auf die Geräte (“Staatstrojaner”);
  • gesetzliche Verankerung der Schlussfolgerungen v. a. aus dem brandenburgischen NSU-Untersuchungsausschuss;
  • Aufstockung der Stellen beim Verfassungsschutz

War diese Zuspitzung und Verflechtung durch DIE LINKE zu verhindern?

Nein. Es sei denn, wir hätten auf unsere Grundpositionen verzichtet.

Gab es zu den einzelnen Punkten immanente Kompromissmöglichkeiten?

Nein. In allen drei Einzelpunkten standen sich die Auffassungen der Koalitionspartner diametral gegenüber:

  • Quellen-TKÜ: Die öffentlichen Debatten und die Anhörungen im Landtag zeigten, dass es in dieser Angelegenheit derzeit keine technischen Möglichkeiten für einen rechtssicheren Einsatz gibt. Bereits beschlossene Regelungen werden verfassungsrechtlich beklagt. Für DIE LINKE lautet die Schlussfolgerung in dieser Situation keine gesetzliche Befugnis zur Quellen-TKÜ einzuführen. Auf SPD-Seite hingegen wird der Standpunkt vertreten, gerade weil es noch keine weitere verfassungsgerichtliche Konkretisierung gibt, könne man den Spielraum jetzt nutzen und dann die verfassungsrechtliche Klarstellung abwarten. Beide Standpunkte sind schwer miteinander vereinbar.
  • Schlussfolgerungen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss: DIE LINKE hingegen hielt und hält es im Sinne des Koalitionsvertrages für dringend geboten, die Erkenntnisse aus der Arbeit der parlamentarischen Untersuchungsausschüsse zum NSU-Skandal sowie des NSU-Prozesses in München gesetzlich aufzuarbeiten, die Konsequenzen für die künftige Arbeit des Verfassungsschutzes sowie für die Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden haben. Wir haben dafür Vorschläge gemacht - jedoch ist die Arbeit des brandenburgischen Untersuchungsausschusses noch nicht abgeschlossen; der Abschlussbericht steht noch aus. Die SPD-Seite zeigte sich zu diesem Thema eher reserviert, zumal es um ernsthafte Eingriffe in die operative Arbeit des Verfassungsschutzes gehen würde.
  • Stellenzahl Verfassungsschutz: Seit Beginn der Legislatur-Periode trägt die SPD die Forderung nach mindestens 30 zusätzlichen Stellen beim Verfassungsschutz vor sich her - im Wissen, dass DIE LINKE im Grundsatz für die Auflösung aller Geheimdienste eintritt. Anfang des Jahres schließlich preschte der Innenminister ohne jede Absprachen innerhalb der Koalition vor und erhöhte die Zahl der Beschäftigten des Verfassungsschutzes um 27. DIE LINKE lehnte das vehement ab.

War es unter diesen Umständen überhaupt möglich (und sinnvoll), weiter zu verhandeln?

Ja:

  • Ein Verzicht auf die Quellen-TKÜ erwies sich für die Sicherheitsgesetze möglich.
  • Auch zu wichtigen Schlussfolgerungen, die die LINKE aus dem NSU-Untersuchungsausschuss gezogen hatte, konnte es innerhalb eines Gesamtlösungspaketes wichtige Fortschritte geben. Einigkeit konnte zwischen den Koalitionspartnern hergestellt werden zu:

- Stärkung der Parlamentarischen Kontrollkommission (PKK);

- Einschränkung der Tätigkeit von V-Leuten (Grundsätzliches Verbot der Begehung von Straftaten durch Verdeckte Ermittler; Verbot der Einflussnahme auf verfassungsfeindliche Bestrebungen und die Gründung solcher durch Verdeckte Ermittler; Anwerbeverbot für Verdeckte Informationsgeber, die schon mal zu mehr als einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sind; Verbot unwürdiger Behandlung in der Führung menschlicher Quellen [z. B. Täuschung, Ausnutzung von Notlagen,…]; Pflicht, verdeckte Informationsgeber vor ihrer Verpflichtung und sodann mindestens einmal jährlich hinsichtlich eventueller Absichten zum Ausstieg aus der extremistischen Szene zu befragen und auf entsprechende Beratungs- und Betreuungsangebote hinzuweisen; usw.);

- Einführung einer unabhängigen Innenrevision, die sich bei Streitfällen mit der Behördenleitung auch nach außen wenden kann (Vorlage an die G10-Kommission);

- Stärkung der Rechte der G10-Kommission.

Bei der Einführung eines sog. In-Camera-Verfahrens, d.h. der richterlichen Überprüfung von Entscheidungen der Verfassungsschutz-Behörde bei Bedenken der Innenrevision, wurde vereinbart, die Diskussion nach Vorlage des Abschlussberichtes des NSU-Untersuchungsausschusses weiterzuführen.

- Die Zustimmung zum Verfassungsschutz- und zum Polizeigesetz in dieser Form verband die SPD-Seite jedoch mit der Forderung, im Rahmen des Gesamtlösungspaketes nicht nur die Aufstockung des Verfassungsschutzes um 27 Stellen (die, wie sich gezeigt hat, haushaltsrechtlich nicht rückgängig gemacht werden kann) zu akzeptieren, sondern insgesamt 37 zusätzlichen Stellen zuzustimmen. Dazu gehören allerdings 17 Stellen, die für die Umsetzung unserer Forderungen im Bereich Verwaltung und die Erfüllung der Kooperationspflichten insbesondere mit der Parlamentarischen Kontrollkommission erforderlich sind.

War bzw. ist dieses Gesamtlösungspaket für DIE LINKE zustimmungsfähig? Oder hätte man angesichts der von der SPD geforderten Aufstockung des Verfassungsschutzes die Verhandlungen abbrechen müssen?

Das ist ein Frage der Abwägung:

  • Im Falle des Scheiterns der Verhandlungen bzw. sogar der Koalition insgesamt wäre es auf jeden Fall bei der Aufstockung des Verfassungsschutzes um 27 Stellen geblieben; aller Voraussicht nach hätte der Innenminister dann auch mühelos die insgesamt 37 Stellen durchgesetzt.
  • Mit der Zustimmung zum Gesamtlösungspaket nimmt DIE LINKE etwas hin, was sie ohnehin nicht mehr verhindern konnte - erzielte aber in zwei zentralen Punkten einen wichtigen politischen Durchbruch.

Insbesondere die Einbindung von Schlussfolgerungen aus dem NSU-Untersuchungsausschuss in das Verfassungsschutz-Gesetz ist in Deutschland bislang einmalig - und wird es nach Lage der Dinge wohl auch noch eine Weile bleiben. Auch für Brandenburg ist es höchst fraglich, ob das bei einer Verschiebung der Angelegenheit nach der nächsten Landtagswahl noch einmal möglich wäre. Und auch die Quellen – TKÜ – der zentrale Kritikpunkt am Ursprungsentwurf des Innenministers bleibt in Brandenburg grundsätzlich ausgeschlossen.

IV.

Das Thema Sicherheit wird weit in die nächste Legislaturperiode hinein politisch prägend bleiben. Das sich abzeichnende Gesamtlösungspaket ist also nicht der Abschluss der Debatte, sondern nicht mehr als die Fixierung des zum aktuellen Zeitpunkt unter den 2014 zustande gekommenen parlamentarischen Kräfteverhältnissen Möglichen. Schon in wenigen Monaten wird über diese politisch-parlamentarischen Kräfteverhältnisse neu entschieden - und damit auch über Rücken- oder Gegenwind für die hier dargestellten kontroversen Positionen.

Käme das Gesamtlösungspaket nicht zustande, wäre die Koalition am Ende - wenige Monate vor den regulären Neuwahlen und gescheitert an einem Thema, das für viele Menschen im Land zu recht hohe Bedeutung hat - aus der Sicht wohl vieler an Detailfragen und obwohl ein Kompromiss zum Greifen nah war. Eine solche Entwicklung der Dinge würde keinem der Beteiligten nutzen; sie würde einer Kampagne aller politischen Wettbewerber gegen Rot-Rot, gegen SPD und gegen LINKE, das Feld frei geben.

Pragmatismus ohne Prinzipien verbietet sich, aber Prinzipien ohne Pragmatismus bleiben wirkungslos.


Parteimitglied werden kann man hier.

Aktuelle Termine von uns

  1. DIE LINKE. Regionalverband Trebbin-Großbeeren-Ludwigsfelde
    10:00 - 12:00 Uhr
    Ludwigsfelde, Geschäftsstelle DIE LINKE. Regionalverband TGL, LinksTreff Ludwigsfelde DIE LINKE. Regionalverband Trebbin-Großbeeren-Ludwigsfelde

    Rote Socken und mehr ... stricken und häkeln

    In meinen Kalender eintragen
  1. Fraktion DIE LINKE/Die PARTEI im Kreistag Teltow-Fläming Unsere Abgeordneten
    17:00 - 21:00 Uhr
    Luckenwalde, Kreishaus Luckenwalde

    Sitzung des Kreistages Teltow-Fläming

    In meinen Kalender eintragen
  1. DIE LINKE. Luckenwalde
    18:30 - 20:00 Uhr
    Luckenwalde, Kreisgeschäftsstelle DIE LINKE. Teltow-Fläming DIE LINKE. Luckenwalde

    Beratung Fraktion DIE LINKE/BV Luckenwalde

    In meinen Kalender eintragen
Linksblick, Ausgabe April/Mai 2024

Linksblick

Zur aktuellen Ausgabe unserer Kreiszeitung kommen Sie hier.

Einblicke, Ausgabe April/Mai 2024

Einblicke

Die aktuelle Ausgabe der Zeitung unserer Kreistagsfraktion lesen Sie hier.

EinBlick - Newsletter unserer Kreistagsgfraktion

EinBlick

Zum Newsletter unserer Kreistagsfraktion mit dem Bericht zur zurückliegenden Kreistagssitzung kommen Sie hier.

Watching you - AfD-Monitoring