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Dr. Gerd Wiegel

Die AfD im Bundestag - ein Rückblick auf die aktuelle Sitzungswoche

Ein Jahr ist seit der Konstituierung des 19. Bundestages vergangen und unweigerlich setzen sich die Normalisierung und der Gewöhnungseffekt gegenüber der AfD im Parlament weiter fort. Hetze und Verächtlichmachung von Bevölkerungsgruppen wiederholen sich Woche für Woche und auch der Beobachter fragt sich, was davon jeweils noch einen Neuigkeits- oder auch nur Berichtswert hat. Allerdings befindet sich die AfD immer noch in der Radikalisierungsspirale, auch wenn die drohende Beobachtung durch den Verfassungsschutz die innerparteilichen Alarmglocken zum Läuten gebracht haben. Spitzel- und Denunziationsportale gegen Lehrerinnen und Lehrer sorgen in den Ländern für Aufregung.

Weitgehend unbeachtet blieb dagegen ein Gesetzentwurf der Bundestagsfraktion, der das einlöst, was der AfD zurecht immer vorgeworfen wird: den Weg in einen anderen – autoritären – Staat. Hinter dem harmlosen Titel „Entwurf eines Gesetzes zur Verbesserung der Inneren Sicherheit – Verfahrensbeschleunigungsgesetz und verbesserte Eingriffsrechte der Justiz“ (http://dipbt.bundestag.de/doc/btd/19/050/1905040.pdf) verbirgt sich eine Form des Sonderstrafrechts, die den Gleichheitsgrundsatz des Grundgesetzes ad absurdum führt und eine Feindgruppe im Land markiert gegen die mit allem Mitteln vorgegangen werden soll: die „Ausländer“. Auf 45 Seiten legt der ehemalige leitende Oberstaatsanwalt aus Berlin, Roman Reusch, eine Wunschliste autoritären Staatsverständnisses vor, die tatsächlich einen Ausblick auf einen von der AfD maßgeblich gelenkten Staat gibt. Abschaffung der Revision als Rechtsmittel, Einschränkung des Jugendstrafrechts, Erschwerung von Bewährungsstrafen zugunsten der Haft – all das ist kleine Münze im Gesetzentwurf. Zu richtiger Form läuft dieser AfD-Gesetzentwurf erst auf, wenn es gegen die zentrale Feindgruppe der „Ausländer“ geht: „Die Änderungen im Ausländerrecht dienen vornehmlich dem Zweck, Asylsuchende, die kein Bleiberecht haben bzw. straffällig geworden sind, ausweisen bzw. abschieben zu können“, so heißt es im Entwurf. Im Fokus stehen aber nicht „nur“ Asylsuchende, der Entwurf richtete sich gegen alle „Ausländer“ in Deutschland. Eingeführt werden soll das Mittel der „Präventivhaft“ gegen Asylsuchende, die als „Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder die Allgemeinheit“ angesehen werden. Geschaffen werden soll die Möglichkeit der „Unterbringung von Ausländern in einem aufnahmebreiten Drittstaat“: „Ein Ausländer, der kein Bleiberecht hat, aber aufgrund eines Abschiebeverbots nicht in sein Herkunftsland verbracht werden darf, ist in eine in einem aufnahmebereiten Drittstaat gelegene Einrichtung zu verbringen.“ Ist das nicht möglich, soll es bei Gefahrenlage eine unbegrenzte Inhaftierung geben – ohne Urteil, ohne vorherige Tat. Das Staatsangehörigkeitsrecht soll generell auf das Blutsrecht (ius sanguinis) zurückgeführt, die Elemente des Geburtsrechts (ius soli) sollen abgeschafft werden – folgerichtig für eine Partei mit einem völkischen Weltbild. Einbürgerungen sollen ausgeschlossen werden wenn ein zwingender Ausweisungsgrund vorliegt. Der liegt nach dem Willen der AfD schon dann vor, wenn man zu einer Strafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird, also u.a. bei relativ geringfügigen Anlässen wie einem Handtaschenraub. Liegt ein solcher Ausweisungsgrund vor, soll die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen werden und zwar auch dann, wenn die Person dadurch staatenlos wird. Hierfür will die AfD eine Schlussfolgerung aus dem Faschismus, dass niemand staatenlos gemacht werden darf, gesetzlich streichen. Versagt werden soll die Einbürgerung auch, wenn man aus einer Familie stammt, die „bereits gehäuft strafrechtlich in Erscheinung getreten“ ist. Die Sippenhaft soll somit Gesetz werden. In den Ausführungen heißt es: „Das Bundesministerium des Inneren wird ermächtigt, eine Liste der kriminell besonders auffälligen Familien zu führen.“ Der Abgeordnete Martens von der FDP erinnerte in der Debatte zum Gesetzentwurf an die sogenannten „Sippschaftsbögen“ des Reichsicherheitshauptamtes.

Zentrales Ziel dieser Initiative der AfD ist die Markierung einer Bevölkerungsgruppe – der „Ausländer“ – als prinzipiell nicht zugehörig und potenzielle Gefährder. Egal wie lange Menschen dieser Gruppe hier leben, sie sollen nach dem Willen der AfD niemals ganz dazugehören, denn mit dem hier konstruierten Sonderrecht schwebt das Damoklesschwert der Ausweisung, der Aberkennung der Einbürgerung für immer über ihnen. Im Vorschlag zum § 54 des Aufenthaltsgesetzes kann man erkennen, wie weit dieser Wille zur gesellschaftlichen Apartheid bei der AfD geht. Dort heißt es u.a.: „Ein Ausländer wird in der Regel ausgewiesen, wenn 5. durch sein Verhalten die öffentliche Gesundheit oder die Gesundheit von Personen gefährdet oder [er] längerfristig obdachlos ist, 6. für sich, seine Familienangehörigen oder sonstige Haushaltsangehörige Sozialhilfe nach SGB XII oder Grundsicherung für Arbeitssuchende nach SGB II in Anspruch nimmt, 7. Hilfe zur Erziehung außerhalb der eigenen Familie oder Hilfe für junge Volljährige nach dem Achten Buch Sozialgesetzbuch erhält; das gilt nicht für einen Minderjährigen, dessen Eltern oder dessen allein personensorgeberechtigter Elternteil sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhalten.“ Dieser Auszug aus 45 Seiten macht deutlich, dass die AfD nicht nur verbal sondern sehr real den Weg in einen autoritären Apartheidstaat gehen will. Die Reaktionen der anderen Fraktionen waren in der ersten Lesung klar und deutlich, man kann die Debatte nur empfehlen: https://dbtg.tv/fvid/7282952

Die selbsternannte „Partei der kleinen Leute“ besorgt im Parlament nach vor das Geschäft der „Besserverdienenden“ und Superreichen. So lehnt die AfD-Fraktion den LINKEN Antrag „Streikrecht bei Rynair durchsetzen“ ab und stellt sich an die Seite der Billigflieger und ihrer beschäftigtenfeindlichen Methoden. Die von der LINKEN geforderte Ausweitung von Mitbestimmungsrechten wird vom AfD-MdB Dr. Dirk Spaniel als „Kosmetik“ abgetan. Stattdessen müsse es darum gehen endlich „fairen Wettbewerb (…) zu ermöglichen und die deutschen Marktteilnehmer am internationalen Wettbewerb durch Befreiung von unfairen Wettbewerbsnachteilen zu ertüchtigen.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 59. Sitzung, S. 6648) Mitbestimmung und Beschäftigtenrechte sind hier gemeint, die der AfD jedoch als „Wettbewerbsnachteil“ gelten. Verpflichtet fühlt sich die AfD den Unternehmen, nicht den Beschäftigen, denn für erste will sie die Luftverkehrssteuer und die Nachtflugverbote abschaffen bzw. einschränken. Internationale Schutzrechte für Beschäftigte stoßen bei der AfD auf wenig Gegenliebe: „Die Vorstellung der Linksfraktion, dass sich Luftfahrtunternehmen in Deutschland an die Normen der Internationalen Arbeitsorganisation halten müssen oder ihre Start- und Landerechte in Deutschland verlieren, wie es bei Ihnen durchklang, halten wir für einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Tarifautonomie.“ (Ebd., S. 6649)

Beim Thema Mieten ist die AfD nach wie vor gegen jede Mietpreisbremse. Ihr Blick ist der der „Investoren“ und damit auch der der Wohnungsspekulanten. Udo Hemmelgarn macht das in seiner Rede deutlich: „Die Regierung versucht jetzt, mit viel sozialistischem Klamauk dem extrem angespannten Wohnungsmarkt den nächsten Stoß zu versetzen: durch Verschärfung der Mietpreisbremse, neue Kappungsgrenzen bei der Modernisierung, mehr Bürokratie für den Vermieter – ohne einen positiven Effekt für den Mieter.“ (Ebd., S. 6593)

Auch in bildungspolitischen Debatten wird die elitäre Position der AfD immer wieder deutlich. So lässt Dr. Götz Frömming in der Debatte zur Hochschulfinanzierung apodiktisch verlauten: „An den Universitäten halten sich viel zu viele junge Menschen auf, die dort gar nicht hingehören.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 58. Sitzung, S. 6378) Die Demokratisierung von Bildung und Zugang zu Universitäten war und ist den konservativen bildungsbürgerlichen Eliten schon immer ein Dorn im Auge und so setzt die AfD auf stärkere Formen der (sozialen) Aussiebung, um das Studium vor allem für junge Menschen ohne diesen Hintergrund zu erschweren. Damit will die Partei die Öffnung der Universitäten als ein Ergebnis von 1968 wieder zurückdrehen und setzt auf zwei Ebenen an: „Wir stehen nämlich ein für Eignungsprüfungen, zusätzlich zum Abitur, weil das Abitur aufgrund der linken Bildungspolitik in vielen Bundesländern leider nichts mehr wert ist und keine Steuerungsmechanismen mehr entfaltet. (…) Schließlich darf auch die Einführung von Studiengebühren – noch ein Aufreger für Sie – kein Tabu sein, insbesondere für Studenten aus dem Ausland.“ (Ebd., S. 6379) Solche lupenreinen Elitenpositionen finden sich bei der „Partei der kleinen Leute“ zuhauf.

Schließlich noch die Kulturkampffront, an der beim Thema Kindertagesbetreuung vom Abgeordneten Martin Sichert das hohe Lied der zu Hause betreuenden Mutter gesungen wurde, während Nicole Höchst noch einmal das Schreckbild der AfD in einem Satz zusammenfassen durfte: „Unsere Kinder dürfen niemals von Gesetz wegen in Kitas zu klimahysterischen, vielfaltsfixierten links-grünen Knock-out-Mäusen à la Kahane oder zu Digitalzombies dressiert werden.“ (Ebd., S. 6334)

Alle Debatten können hier nachgelesen werden:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19057.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19058.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19059.pdf


Dr. Gerd Wiegel ist Referent der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag.


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