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Helmut Scholz, Mitglied des Europäischen Parlaments, Fraktion GUE/NGL

Das geplante Freihandelsabkommen TTIP - ein Interview mit unserem Europaabgeordneten, Helmut Scholz

Auf Bitte der Redaktion von "mitmischen.de - der Jugendseite des Deutschen Bundestages" hat Helmut Scholz Fragen zum geplanten Freihandels- und Investitionsabkommen USA-EU (TTIP) beantwortet.

Wem nützt das Abkommen, wem schadet es?

Helmut Scholz: Handel ist eine uralte Form der friedlichen Koexistenz von Bevölkerungen und Regionen. Erfolgt der Handel zu fairen Bedingungen, nützt er der Entwicklung beider Seiten. Produzieren die beiden Seiten allerdings die selben Waren, so kommt es zur Konkurrenz und Preis und Qualität der gehandelten Waren werden ausschlaggebend. Durch die Erhebung von Zöllen und durch die Definition von Qualitätsstandards können Regierungen regulierend in die Handelsströme eingreifen. Nehmen wir Eier als Beispiel. In der Europäischen Union finden die Verbraucherinnen und Verbraucher Tierschutz wichtig. Sie möchten wissen, dass ihre Frühstückseier von glücklichen Hühnern kommen. Freilandhaltung und biologische Produktion der Eier erzeugt allerdings höhere Kosten, als wenn die Eier wie in den USA von Hühnern in Käfigen mit der Grundfläche eines DIN A5 Blattes produziert werden. Wenn durch das TTIP-Abkommen die Zölle auf die Einfuhr von Eiern wegfallen und die Spielregeln für die Produktion (Käfiggröße) nicht gleich sind, nutzt das denjenigen, die vor allem billig produzieren und es schadet den Landwirten, die auf artgerechte Produktion umgestellt haben. Ähnliches gilt für den Einsatz von Technologie in der Landwirtschaft, wie zum Beispiel genetische Manipulation von Saatgut oder industrielle Formen der Bewirtschaftung mit großen Kostenvorteilen gegenüber kleinen Gütern in dörflichen Strukturen. TTIP wirkt sich also darauf aus, was auf unserem Frühstückstisch landet, ob unsere Dörfer weiter funktionieren und welchen Stellenwert auch in Europa in der Landwirtschaft künftig der Umwelt- und der Tierschutz haben. Bei TTIP geht es darum, wie wir künftig leben wollen.

Wer profitiert davon, und wer nicht?

Von diesem Abkommen würden vor allem besonders große Hersteller und Dienstleistungsunternehmen wie große Banken und Versicherungen profitieren, die einen stark vergrößerten Markt auch bedienen können. Profitieren würden vor allem Konzerne, während kleine Buchhandlungen, Blumenläden, Metzger oder Sparkassen neue und sehr starke Konkurrenz erhalten würden. Vor allem Menschen, die auf's Geld achten müssen, würden eher die billigeren Angebote aus der Großproduktion wählen. Am Ende hätte das negative Auswirkungen auf die Auswahl und die Arbeitsplätze, wenn die kleineren Anbieter schließen müssen. Die Folgen sehen wir schon heute in vielen Innenstädten, durch TTIP würde dieser Trend weiter verstärkt. Das Wort Profit taucht im Verhandlungstext des Abkommens zudem noch in einem anderen folgenschweren Zusammenhang auf: dem Schutz der erwarteten Profite von Investoren. Wenn der Profit eines Investors zum Beispiel durch ein neues Gesetz zum Umweltschutz oder zum Gesundheitsschutz verringert würde, dann soll der Investor durch ein im TTIP verankertes besonderes Klagerecht gegen die Regierung oder die EU-Kommission Schadensersatz einfordern können. Abgekürzt heißt dieses Verfahren ISDS (Investor-to-State Dispute Settlement). Entscheiden soll über die Klage nicht ein normales Gericht, sondern ein Sondertribunal aus drei Wirtschaftsanwälten. Die großen Investoren würden daher von TTIP profitieren, Gesellschaft und Demokratie hätten hingegen ein großes Problem. Ein solches Klagerecht gibt es bereits in der internationalen Energiecharta und der Stromkonzern Vattenfall nutzt es aktuell, um die Bundesregierung wegen des Gesetzes zum Ausstieg aus der Atomenergie zu verklagen.

Warum ist es politisch umstritten?

Besonders das eben beschriebene Sonderklagerecht für Investoren ist sehr umstritten. Verbraucherschutzorganisationen, Umweltschützer, Gewerkschaften sowie LINKE und Grüne laufen dagegen Sturm. Auch die Bundesregierung argumentiert inzwischen dagegen. Der Protest ist so stark geworden, dass die EU-Kommission sich inzwischen gezwungen sah, ein öffentliches Beratungsverfahren dazu auf ihrer Webseite einzurichten. Noch bis Mitte Juni kann sich daran jede Bürgerin und jeder Bürger beteiligen. Die Sorge ist, dass durch ISDS schon die Androhung von Klagen fortschrittliche neue Gesetze verhindern kann. Warum dann noch wählen gehen?

Umstritten ist auch der wirtschaftliche Nutzen des Abkommens. Die Bundesregierung und die EU-Kommission versprechen Wachstum und Arbeitsplätze durch TTIP, vor allem wenn es gelänge, in den Verhandlungen störende Unterschiede in den Standards und Regulierungen abzuschaffen. Dabei stützen sie sich immer auf die gleichen wissenschaftlichen Studien, die von der Kommission und in einem Fall von der Bertelsmann-Stiftung in Auftrag gegeben worden waren. Die Linksfraktion im Europäischen Parlament wollte wissen, ob wirklich stimmt, was diese Studien versprechen und hat eine Gruppe von Wissenschaftlern von einem österreichischen Institut mit der Untersuchung beauftragt. Ergebnis: In den Studien wurde unsauber gearbeitet. So ging man zum Beispiel von Vollbeschäftigung und voller Mobilität der Arbeitnehmer aus. Wer seinen Job in dem einen Wirtschaftssektor verliert, würde sofort in einem anderen Sektor an einem anderen Ort neue Arbeit finden. Die Praxis zeigt: So einfach geht das leider nicht. Auch die Abschaffung von Umweltstandards kann hohe Folgekosten nach sich ziehen. Verschmutzte Flüsse machen vielleicht die Produktion für ein Unternehmen billiger, sind aber sehr teuer für die Allgemeinheit. Hier entsteht dann auch der aktuelle Streit in der Gesellschaft: Konzerne haben zum Beispiel bei Abgasnormen für Autos oft ganz andere Interessen als die Gesellschaft. In unserer Demokratie hat die Vernunft nun endlich begonnen, sich durchzusetzen. Das sollte nicht durch ein konzernfreundliches Abkommen wieder unterlaufen werden können. Der Versuch ist eindeutig da.

Wie betrifft es einen 16-Jährigen Jugendlichen und warum sollte er sich dafür interessieren?

Mit 16 ist man von so großen gesellschaftlichen Veränderungen, wie sie das TTIP bringen könnte, mindestens genauso betroffen wie ältere Bürgerinnen und Bürger. Wer jung ist, muss schließlich noch sein ganzes Leben mit den Folgen leben. Bei TTIP geht es wirklich um eine Weichenstellung. Wir haben bei der Schaffung des Europäischen Binnenmarktes gelernt, dass sich der Markt nicht von alleine regelt und das wir große demokratische Fortschritte wie die Stärkung des Europäischen Parlaments machen mussten, um auf die Folgen des großen Marktes für alle Lebensbereiche reagieren zu können. Wir mussten europaweite Umweltgesetze schaffen, um unfairen Wettbewerb auf Kosten der Umwelt zu verhindern. Beim Sozialschutz und bei den Rechten von Arbeitnehmern und Gewerkschaften haben wir noch viele Aufgaben vor uns. Viele dieser Aufgaben müssen in der Zukunft von den jungen Menschen gelöst werden, die heute 16 sind. Was dann noch geht, wird auch durch TTIP begrenzt. Werdet also jetzt aktiv, damit nicht ein transatlantischer Binnenmarkt geschaffen wird, dem die demokratische Dimension fehlt und durch den Rückschritte im Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsschutz und bei den beruflichen Perspektiven drohen.


Weitere Infos zu TTIP

Infos zu dem noch weiter gehenden Abkommen "TISA" finden sich in diesem gut fünfminütigem Video bei youtube und in dieser pdf-Broschüre.


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