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Bildungsabend mit Dr. Volkmar Schöneburg: "Rechtsstaat vs. Unrechtsstaat - Argumente gegen eine schwarz-weiße Klassifizierung"

Dank an Dr. Schöneburg (l.)

Mit rund 30 Personen war die Kreisgeschäftsstelle sehr gefüllt - offenbar war das Thema gut gewählt und hatte mit den noch frischen Eindrücken zum Thema "Unrechtsstaat" aus den Thüringer Koalitionsverhandlungen Informations- und Diskussionsbedarf geweckt.

Dr. Volkmar Schöneburg ging in seinem Einstieg zum Referat auf den Begriff des "Rechtsstaates" und seine Definition ein - wie ließe sich sonst der "Unrechtsstaat" per Umkehrschluss erklären? Laut Schöneburg ist der Begriff schillernd und aus seiner vierjährigen Erfahrung als Brandenburger Justizminister konnte er davon berichten, dass immer, wenn er Worte wie "weil es der Rechtsstaat erfordert" hellhörig wurde.

Mit Blick in die Geschichte ist festzustellen, dass erstmalig im 19. Jahrhundert der Begriff des Rechtsstaates auftaucht, der Wandel von der Herrschaft der Herrschenden hin zur Herrschaft von Recht und Gesetz setzte ein. Laut dem Rechtsstaatsprinzip wird die Staatsgewalt zu Gunsten der Bürgerinnen und Bürger limitiert, Grundrechte werden garantiert, beispielsweise ist der Gang zu den Gerichten für jederman frei. In unserer Verfassung (Grundgesetz) sind die Grund- und Menschenrechte festgehalten. Trotzdem ist festzustellen, dass hinter der Rechtsgleichheit sich auch heute noch eine soziale Ungleichheit versteckt - die Gesetze sagen nichts zur sozialen Situation der Gesellschaft.

Der in der öffentlichen Diskussion immer wieder angeführte "Unrechtsstaat" DDR bestimmte dann im weiteren Gespräch den Inhalt. So stellte Dr. Schöneburg fest, dass der "Unrechtsstaat" nirgendwo kodifiziert ist, kein Rechtslexikon weist diesen Begriff aus, er ist nicht legaldefiniert. Der Rechtssoziologe Prof. Dr. Rottleuthner von der Freien Universität Berlin sieht den "Unrechtsstaat" als "politischen Kampfbegriff" und für den Brandenburger Generalstaatsanwalt Rautenberg ist er ein "im Kalten Krieg der 1950er Jahre geborener Begriff". Für Rottleuthner bestehen auch "höllenweite Unterschiede" im immer wieder gern gezogenen Vergleich zwischen dem "Unrechtsstaat" DDR und dem 3. Reich. Im Nationalsozialismus wurden Verbrechen wie Massenmord aufgrund rassisitischer Ideologie zum Staatsziel erhoben und massenhaft legitimiert. Ein für den abstrusen Vergleich beider Staaten und ihres "Unrechtscharakters" immer wieder gern genommenes Beispiel sind der Richter am NS-Volksgerichtshof Freisler und die DDR-Richterin Benjamin. Er erließ 2.000 (!) Todesurteile, sie im gleichen Zeitraum späterer Jahre zwei.

Für die Wissenschaft ist der "Unrechtsstaat" ein ideologisierender, moralisierender Kampfbegriff, welcher interessanterweise nur im deutschsprachigen Raum eine Rolle spielt. Ferner wird der Begriff von der Wissenschaft abgelehnt, da er pauschal wertend ist, wo sind die Abstufungen? Er wurde und wird herangezogen, um das jeweils gegensätzliche Gesellschaftsmodell zu diskreditieren. So war das 3. Reich für die DDR genauso wie für die BRD ein Unrechtsstaat, die BRD urteilte so ebenso über die DDR, die DDR selbst bezeichnete sich als "Sozialistischer Rechtsstaat".
Und auch auf das immer gern gebrachte DDR-Unrechtsstaatsmerkmal "Zwangsarbeit" ging Schöneburg ein: Früher hieß und gab es Zwangsarbeit, heute gibt es eine "Arbeitspflicht" im Gefängnis - einen Unterschied konnte auch an diesem Abend niemand erklären ...

Im Folgenden auch eine interessante Anekdote: Laut Äußerungen von Bundesjustizminister Maas ist ein folternder Staat willkürlich handelnd. Er handelt also nicht nach Recht und Gesetz, müsste also im Umkehrschluss als "Unrechtsstaat" bezeichnend werden. Staaten wie die Türkei, Singapur - oder die Vereinigten Staaten haben gefoltert oder foltern immer noch. Aus diplomatischen Gründen und politischen Interessen wird dies aber nicht als "Unrechtsstaat" betitelt. Die Gleichheit ist hier für bestimmte eben gleicher ...

Abschließend ging Dr. Schöneburg noch auf die Gegenwart ein. Heutzutage werden bei Taten nicht mehr die sozialen Ursachen betrachtet, sondern immer nur neue Straftatbestände geschaffen. Das ist billig und schnell, aber die Realität ausblendend. Als Beispiel sei der extra kreierte Straftatbestand der Genitalverstümmelung erwähnt. Aufgrund gesellschaftlicher Debatten extra eilig ins Gesetz gegossen, war diese Tat auch schon früher eindeutig und vollumfassend als gefährliche Körperverletzung (mit Hilfe eines Gegenstandes wird ein Mensch verletzt) mit einer Freiheitsstrafe unter Strafe gestellt. Eine neue, zusätzlich Norm war also unnötig -medial aber allemal am wirksamsten. Und auf ein Beispiel für Unrecht in einem Rechtsstaat sei auch hingewiesen: Höchstrichterlich durch den Europäischen Gerichtshof wurde festgestellt, dass die Sicherungsverwahrung in Deutschland nicht dem Recht entspricht, sie also Unrecht ist - Deutschland, ein "Unrechtsstaat"?

Fazit: Der Begriff "Unrechtsstaat" ist für Schöneburg und DIE LINKE als Grundlage der Politik abzulehnen - das gilt ausdrücklich nicht für bestimmte Einzelschicksale.

Text und Fotos: Thier


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