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Dr. Gerd Wiegel

Die AfD im Bundestag - ein Rückblick auf die aktuelle Sitzungswoche

Die Pandemie wird laut Björn Höcke herbeigetestet: "Die Testung und die Anzahl der Testung führt überhaupt dazu, dass wir eine Pandemie haben", so Höcke am Rande des AfD-Parteitages in Dresden. Im Bundestag dagegen hält die AfD der Regierung vor, die Tests verschlafen zu haben. Gegensätzliches und Widersprüchliches findet sich bei der AfD so wie bei den anderen Parteien auch -, mit dem Unterschied, dass die AfD die Gefahren der Pandemie nach wie vor leugnet, die Notwendigkeit staatlicher Maßnahmen bestreitet, dahinter geheime Absichten vermutet und den Umgang mit dem Virus individualisieren will. In der vom Parteitag verabschiedeten Corona-Resolution heißt es, es soll "den mündigen Bürgern überlassen bleiben, in welchem Maße sie sich selbst schützen möchten." Vor dem Hintergrund der sozial ungleichen Gefährdung durch COVID 19 und den Folgen, die für die subalternen Klassen sehr viel höher sind (oxfam_factsheet_ungleichheitsvirus_deutsch.pdf <https://www.oxfam.de/system/files/documents/oxfam_factsheet_ungleichheitsvirus_deutsch.pdf> ), ist das Ausdruck von Sozialdarwinismus.

In der ersten Lesung zur geplanten Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes (sog. Notbremse) verdeutlicht Alice Weidel diese Position: "Sie misstrauen den Bürgern; deswegen wollen Sie sie tagsüber gängeln und nachts einsperren. Sie misstrauen den Ländern und Kommunen. Deswegen legen Sie die Axt an die Wurzeln der föderalen Architektur der Bundesrepublik und entmachten Ministerpräsidenten, Landräte und Bürgermeister per Bundesgesetz." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 222. Sitzung, S. 28104) Auch Weidel unterstellt, es ginge bei der Corona-Politik gar nicht um die Bekämpfung der Pandemie, sondern um geheime Ziele, die von ihr zwar nicht benannt werden, die sie aber mit den AfD-Feindbildern "Ausländer" und Kriminelle verbindet: "Ginge es Ihnen tatsächlich in erster Linie um die Pandemiebekämpfung, hätten Sie längst geeignete und zielgerichtete Maßnahmen ergreifen können (.). Sie wollen mit diesem Gesetz etwas anderes: den endlosen Bundes-Lockdown, obwohl fünf Monate Wellenbrecher-Lockdown mehr als genug gezeigt haben, dass dieses primitive Rezept überhaupt nicht funktioniert. (.) Die Bürger verlieren das Vertrauen in einen Staat, der mit Polizeikommandos Rentnergeburtstage stürmt und Kinder vom Bolzplatz jagt, aber Drogenhändler im Park gewähren lässt. Die Bürger verlieren das Vertrauen in einen Staat, dessen Polizisten Erholungssuchende in Parks mit Zollstöcken schikanieren, aber bei Clangroßhochzeiten untätig danebenstehen müssen." (Ebd.) Dass die Polizei bei vielen Corona-Leugner-Demos trotz Missachtung sämtlicher Auflagen untätig zusah, wird von Weidel natürlich nicht kritisiert.

Der Abgeordnete Thomas Seitz hat weitergehende Vermutungen zu den "geheimen Absichten" der Regierenden: "Diese simplen Fakten, die Chronik Ihres Versagens, wollen Sie verschleiern. Warum? Nur um sich selbst als Retter aus der Not darzustellen. Dazu brauchen Sie Angst und Panik. Nichts soll nach Normalität aussehen. In Wahrheit haben Sie nicht Angst vor den hässlichen Bildern - oh nein! -, Sie fürchten die schönen Bilder: die rodelnden Kinder, die Menschen beim Spazieren und Bummeln, Schlittschuhläufer, Badegäste, Biergarten und Straßencafé. Diese Bilder fürchten Sie. ,Deutschland. Aber normal' - das fürchten Sie! Sie schüren Angst und Panik. Sie inszenieren den Notfall, um als Retter in der Not dazustehen. Es geht bei Ihnen nicht um Inzidenzwerte, sondern nur um Ihre eigenen Umfragewerte (.)." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 221. Sitzung, S. 27929)

Sollte das tatsächlich die geheime Strategie der Regierung sein, so ist sie bisher gründlich schief gegangen. Auch bleibt es das Geheimnis der AfD, warum eine dem Kapital verpflichtete Regierung das Land ohne Not in Rezession und wirtschaftliche Krise stürzen sollte. Verschwörungsideologen wie Karsten Hilse können dahinter nur "die Quasiabschaffung unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung" vermuten und den Ruf "Verhindern wir den Staatsstreich!" anstimmen. (Ebd., S. 27995)

Wie sich die AfD den "mündigen Bürger" vorstellt, macht Martin Sichert deutlich und gibt damit einen Einblick, wie die AfD gegenüber ihrem Publikum argumentiert: "Wenn ein vollkommen Gesunder seine Kleidung nicht im Supermarkt, sondern im Bekleidungsgeschäft kaufen möchte, dann muss er einen negativen Test vorweisen. Angenommen, er wird positiv getestet, will aber trotzdem in das Bekleidungsgeschäft, dann macht er also drei weitere Tests an verschiedenen Teststationen, bis er einen negativen Test hat. Durch die drei positiven Tests erhöht er den Inzidenzwert, in den nun drei zusätzliche Fälle einfließen. Wenn er auf dem Weg zum Bekleidungsgeschäft nun einen Unfall hat und deswegen auf die Intensivstation muss, ist er ein Coronaintensivpatient, und wenn er an dem Unfall stirbt, dann ist er sogar ein Coronatoter, und das, obwohl Corona mit seinem Tod oder seiner Verletzung überhaupt nichts zu tun hat. Das, meine Damen und Herren, ist absolut unseriös." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 222. Sitzung, S. 28174)

Auch in der Regel gemäßigtere Fachpolitikerinnen der AfD, wie die Rentenspezialistin Ulrike Schielke-Ziesing, greifen auf Abwertung und Ausgrenzung von Geflüchteten zurück, wenn deren Förderung von anderen Fraktionen zum Thema gemacht wird. Zu einem Antrag der Grünen zur gesetzlichen Rentenversicherung führt sie aus: "Es ist zum Beispiel bemerkenswert, dass die Erwerbstätigkeit von Migranten allein dadurch erhöht werden soll, dass diesen ein - ich zitiere - ,unkomplizierter und nachhaltiger Zugang zum Arbeitsmarkt' gewährt werden soll und ,bürokratische Hürden' im Rahmen der Aufenthaltsverfestigung beseitigt werden sollen. Die Ursachen für die erschütternd geringen Beiträge von Zuwanderern in die Sozialkassen sind aber nicht etwaige ,bürokratische Hürden', sondern fehlende Bildung, fehlende Motivation und fehlende Qualifikation. Es sind Zahlen der Bundesregierung, die belegen, dass die Zuwanderer aus den Top-8-Asylherkunftsländern selbst dann keine Altersrente oberhalb der Grundsicherung erreichen würden, wenn sie auf 45 Beitragsjahre kämen. Und das ist ja gar nicht der Fall." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 222. Sitzung, S. 28153)

Zu dumm und zu faul, dass ist Schielke-Ziesings Erklärung, um nicht über strukturelle Formen von Ausgrenzung sprechen zu müssen. Letztlich siegt immer die Ideologie über konkrete Ansätze zur Problemlösung. Oder es ist konkrete Interessenpolitik, wie sie von der AfD beim Thema Mietendeckel vertreten wird. Als Eigentümerpartei ist die Fraktion hier klar gegen jede Entlastung für Mieterinnen und Mieter, gegen staatliche Regulierung und Eingriffe in die Gewinninteressen großer Konzerne. Für Udo Hemmelgarn ist all das ein "folgenschwerer Gang hin in den Sozialismus." (Ebd., S. 28144)

Dieses Schreckgespenst des reaktionären Konservatismus wird von der AfD gegen alles in Stellung gebracht, was ihr Angst macht und die von ihr verteidigten Privilegien, z. B. von Männern, bedroht. Die Ablehnung zur "Bundesstiftung Gleichstellung" begründet Thomas Ehrhorn u. a. folgendermaßen: "Meine Damen und Herren, auch ohne allzu große politische Vorbildung sollte für jeden erkennbar sein, wie linke Politik funktioniert: Man sucht sich irgendeine gesellschaftliche Gruppe, gerne auch Minderheiten, denen man einreden kann, die böse Gesellschaft, vertreten durch den alten weißen Mann, würde ihnen ihre gottgegebenen Rechte vorenthalten. - Warum tut man das? Weil man längst erkannt hat, dass die Arbeiterklasse für marxistischen Klassenkampf nicht zu gewinnen und für Sozialismus nicht zu begeistern ist. Deshalb sollen es nun andere sein, die den Weg in die neue Gesellschaft bahnen. Ob schwul, divers oder queer, man fordert für sie eine Ehe für alle, man fordert Inklusion für Sonderschüler, fabuliert von angeblichen strukturellen Benachteiligungen von Frauen, die man natürlich für sie abschaffen wird. Man überlegt, ob man nicht auch Leistungsverweigerern ein bedingungsloses Grundeinkommen zahlen könnte. (.) Es geht um kulturmarxistische Dekonstruktion und Spaltung der Gesellschaft, um Zerschlagung von funktionierenden Strukturen und konservativen Werten, um auf den Trümmern die neue sozialistische Utopie aufzubauen." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 221. Sitzung, S. 27987)

Alle Debatten können hier nachgelesen werden:

Plenarprotokoll 19/220 (bundestag.de) <https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19220.pdf>

Plenarprotokoll 19/221 (bundestag.de) <https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19221.pdf

Plenarprotokoll 19/222 (bundestag.de) <https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19222.pdf>


Dr. Gerd Wiegel ist Referent der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag.


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