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Dr. Gerd Wiegel

Die AfD im Bundestag - ein Rückblick auf die aktuelle Sitzungswoche

Aufsetzungszeiten im Bundestag zeigen an, wie wichtig dem jeweiligen Einbringer der Initiative das Thema ist. Zentrale Themen sollen in der Kernzeit am Donnerstagvormittag platziert werden, um die größtmögliche Chance medialer Beachtung zu eröffnen. Insofern war die Aufsetzung des AfD-Antrags „Finanzielle Lasten der Migrationspolitik umfassend offen legen“ (Drs. 19/16488) in diesem Zeitfenster nur folgerichtig, denn nach wie vor ist dieses Thema der maßgebliche Treiber der Fraktion.

Schon der Titel macht klar, worum es der AfD geht: Migratinnen und Migranten als Kostenfaktor und Last der deutschen Steuerzahler/innen: „Unbegrenzt Geld für Migration, aber der deutsche Arbeitnehmer, der Jahrzehnte einzahlt, bekommt nichts Anständiges mehr heraus! Das ist pure Abzocke. Das lassen sich die Bürger nicht länger gefallen“ – so die Quintessenz der Rede von Gottfried Curio (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 140. Sitzung, S. 17469). Aber Curio nutzt ein ganzes Stakkato an Zahlen und Behauptungen, die zu entwirren, widerlegen, einzuordnen viel Mühe und Aufwand kostet, die aber dem AfD-Anhänger als schnelles, zahlenbewährtes Argument im Alltagsgespräch dienen sollen. Da wird munter mit Summen hantiert: „1.000 Milliarden“ habe die bisherige Migrationspolitik laut Hans-Werner Sinn gekostet, um gleich danach die jährlichen Kosten mit „50 Milliarden“ anzugeben. Die Bundesregierung bezifferte die Kosten für das Jahr 2018 – nach Überzeugung von Fachleuten unseriös und zu hoch – auf 23 Mrd. Euro, eine Summe die von Curio gleich mal verdoppelt wird. Erst in der Rede von Gesine Lötzsch (DIE LINKE) erfährt man, dass in diesen 23 Mrd. Euro auch die Bundeswehreinsätze etwa in Afghanistan stecken, die hier nicht als Ausdruck imperialer Ansprüche Deutschlands sondern als Fluchtursachenbekämpfung ausgegeben werden. Nicht wenige Fachleute sehen in den westlichen „Menschenrechtkriegen“ eine der zentralen Fluchtgründe.

Curio ficht das nicht an, er liefert das für ihn nützliche Zahlenset: „Ein funktionierender Sozialstaat würde doch vor allem die Armut seiner Bürger reduzieren und die Belastung der Steuerzahler senken. Die inländerfeindlichen Ideologen dieser Regierung aber haben ganz andere Prioritäten: riesige Geldströme für eine absurde Energiewende, die Vollversorgung Hunderttausender Wirtschaftsmigranten, die Subventionierung anderer EU-Staaten und demnächst von ganz Afrika. Wir fordern Priorität für die Wohlfahrt unserer Bürger statt für Unberechtigte, statt Dauerwillkommensparty der Illegalität wieder Vorfahrt für Recht und Vernunft. 37 Prozent der Hartz-IV-Leistungen gehen an Ausländer, die nur 13 Prozent der Bevölkerung ausmachen. Seit 2007 haben sich Hartz-IV-Leistungen an Ausländer auf 13 Milliarden Euro jährlich verdoppelt. Die Hartz-IV-Quote der Zuwanderer ist mit 60 Prozent siebenmal höher als bei der Gesamtbevölkerung. Diese Regierung forciert Zuwanderung von Leuten in Millionenstärke, die, ohne je zu arbeiten und Steuern zu zahlen, die gleichen Sozialleistungen erhalten wie die, die diese Leistungen finanzieren müssen.“ (Ebd.) Der letzte Satz ist zentrales Argument der AfD und trifft auf Zustimmung weit über die AfD-Anhängerschaft hinaus. Hier muss sich linke Gegenargumentation bewähren und sich der von Curio vorgegebenen Logik des Kampfes unten gegen unten entziehen. Denn das Argument funktioniert nur, solange von einem ohnehin zu kleinen Kuchen ausgegangen wird, der den Angestellten des Bäckers von den Neueingestellten weggegessen wird. Die Idee, die Backstube zu übernehmen und einen Kuchen zu backen, der locker für alle reicht, will die AfD mit allen Mitteln verhindern. Auch dafür ist das Neidargument zentral: „Und knapp 8 Milliarden Euro für die Bekämpfung von Fluchtursachen – komplett hinausgeschmissenes Geld. Der Lebensstandard in Afrika wird nie dem in Europa entsprechen können. Selbst Hängematte hier bringt mehr als Arbeiten dort. Aber von dem dorthin überwiesenen Geld können sich noch mehr den Migrationstrip hierher leisten. Nutzen null, Schaden gigantisch!“ (Ebd.)

Duktus und Art der Argumentation von Curio rechtfertigen die von Helge Lindh (SPD) genutzte Charakterisierung der Curio-Rede als schlechtgemachten „Goebbels-Verschnitt“, die er auch trefflich begründet: „Auf einem Plakat des Rasseamtes der NSDAP aus dem Jahr 1938, zu finden als Quelle im Deutschen Historischen Museum, findet sich, passend zu einer entsprechenden Abbildung, folgende Aufschrift – ich zitiere –: ‚60 000 RM kostet dieser Erbkranke die Volksgemeinschaft auf Lebenszeit‘. Zweiter Satz – ich zitiere –: ‚Volksgenosse – das ist auch Dein Geld‘. Wer solche Anträge stellt wie die AfD-Fraktion, wer solche Reden hält, weiß, in welche Tradition er sich einreiht, nämlich in diese Tradition.“ (Ebd., S. 17472)

Dass bürgerliche Parteien, zu denen auch die AfD gehören will und wohl auch überwiegend gehört, eine erstaunliche Nähe zu den Traditionen des deutschen Adels aufweisen, konnte man in der Debatte zum LINKEN-Antrag „Keine Entschädigung an Nachkommen der Monarchie“ (Drs. 19/14729) entnehmen. Auch Alexander Gauland stellt sich hier schützend vor das Haus Hohenzollern, denen er keine aktive Beförderung des Nationalsozialismus unterstellen will. Interessant ist hier die geschichtspolitische Konstruktion des Freispruchs, mit der der AfD-Fraktionschef Verantwortung und Schuld generell zum Verschwinden bringt: „Seien wir also gnädig mit den Hohenzollern. Sie haben nur die Fehler gemacht, die leider viele unserer Großväter und Großmütter millionenfach auch gemacht haben. Insofern waren sie, was schon Walther Rathenau kurz nach der Niederlage von 1918 über Wilhelm II. festgestellt hat: ein fast perfektes Symbol für die Verirrungen eines Volkes, bei denen wir sie jetzt nicht alleine lassen sollten.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 140. Sitzung, S. 17494) „Verirrungen“ waren das also und alle waren gleichermaßen daran beteiligt. Wenn es alle waren war es keiner und schon muss man sich „diese zwölf Jahre nicht länger vorhalten lassen“, wie es Gauland an anderer Stelle formulierte. Marc Jongen will die Debatte für die gewünschte Renaissance eines positiveren Preußenbildes nutzen und sieht den von anerkannten Historikern (Ulrich Herbert, Martin Sabrow) als Nazibefürworter gekennzeichneten Kronprinz Wilhelm als „eine der politisch zurückhaltendsten und am wenigsten kompromittierten Personen.“ (Ebd., S. 17500). In den Dokumenten finden sich Forderungen von Wilhelm aus den frühen 1930er Jahren, dass man „mal eine Anzahl von Kommunisten aufs Pflaster“ legen müsse, womit er die Aktionen der SA befeuern wollte. Für Jongen, der LINKEN und Grünen in der Debatte „Antifa-Methoden“ vorwirft, sicherlich kein Problem. Die unterhaltsame Debatte kann hier eingesehen werden: https://dbtg.tv/fvid/7414004

Auch Nazigewalt ist der AfD keinen Redebeitrag wert. In der von der Regierung beantragten Aktuellen Stunde zum Thema „Kommunalpolitiker, Polizei und Rettungskräfte vor Drohungen und Gewalt wirksam schützen“ schafft es Martin Hess für die AfD nicht einen einzigen Satz zu Bedrohungen und Anschlägen von rechts auf Kommunalpolitiker_innen zu sagen und stattdessen die AfD als das zentrale Opfer politischer Gewalt darzustellen.

Die weiblichen Abgeordneten der AfD sind in den letzten Woche fast unsichtbar geworden, jetzt durfte Nicole Höchst zum fraktionsübergreifenden  Antrag „Mehr Frauen in den Deutschen Bundestag – Kommission zur Erarbeitung von Vorschlägen für gesetzliche Regelungen und weiteren Maßnahmen“ reden. „Warum müssen ausgerechnet in den Parlamenten mehr Frauen sein?“, das war die Leitfrage von Höchst, die sie klar negativ beantwortete: „Weil sie bessere Politik für Frauen machen? Meine Damen, Sie machen sich lächerlich. Überwiegend Herren haben all dem zugestimmt, was wir heute als Errungenschaften für Frauen feiern.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 140. Sitzung, S. 17549) Das ganze Ansinnen, die Frage nach dem Geschlecht überhaupt zum Thema zu machen, wird von Höchst abgelehnt: „Ihr Ansinnen, meine Damen – das müssen Sie sich leider sagen lassen –, ist ein zutiefst sexistisches, weil es vor die Dämmerung der Frauenbewegung zurück möchte und Menschen zunächst danach beurteilt, ob sie Holz vor der Hütte haben oder eben nicht.“ (Ebd., S. 17548) Schließlich fordert sie die Männer im Saal dazu auf, sich das nicht länger gefallen zu lassen: „Meine Herren, wie lange wollen Sie sich eigentlich den Quatsch der neid- und machtgetriebenen Quotenpolitik allein zu Ihren Lasten noch gefallen lassen?“ (Ebd., S. 17549)

Schließlich versucht sich die AfD immer wieder darin, neue Begriffe zu prägen, um eigene Stichworte in aktuellen Debatten wie der Klima-Debatte zu platzieren. Während Karsten Hilse alle Maßnahmen der Klimapolitik nur noch als „Neosozialismus“ bezeichnet, versuchte es der Abgeordnete Harald Weyel mit der Behauptung eines „klimakommunistischen Umbau(s) Europa(s).“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 141. Sitzung, S. 17659). Eingebaut wird das Ganze in eine Bekenntnis zu freiem Wettbewerb, wobei Weyel offenbar Keynesianismus und Kommunismus durcheinander bringt oder als dasselbe ansieht: „Staatsverschuldung, Zentralismus und Umverteilung sind bei Ihnen allen Trumpf. Es geht hierbei um die Bilanz aller bisherigen keynesianischen Experimente, die den jetzigen Klimakeynesianismus begründen sollen. Nichts anderes ist der New Deal à la Brüssel. Im Gewande der Klimapolitik kommt aber nicht nur der Klimakeynesianismus daher, (Dr. Franziska Brantner [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Ist es jetzt Kommunismus oder Keynesianismus? Das ist schon entscheidend!) sondern der real existierende Klimakommunismus einer gefühlten supranationalen UNO-Pseudoweltregierung (…).“ (Ebd.)

Alle Debatten können hier nachgelesen werden:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19139.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19140.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19141.pdf


Dr. Gerd Wiegel ist Referent der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag.


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