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Dr. Gerd Wiegel

Die AfD im Bundestag - ein Rückblick auf die aktuelle Sitzungswoche

Die AfD und ihr Umfeld befinden sich ohne Zweifel in Turbulenzen (https://www.jungewelt.de/artikel/350927.narrensaum-mit-einfluss-in-geiselhaft.htmlhttps://www.jungewelt.de/artikel/350928.aus-dem-gleichgewicht-geraten-ideologische-irrlichter-und-feindzeugen.html). Ob die seit Wochen zu verzeichnende rednerische Abstinenz der Fraktionsvorsitzenden hier seinen Grund hat, ist unklar. Inhaltlich jedenfalls sorgt die Fraktion weiterhin mit den Themen für Aufregung, die zu ihrem Markenkern im Bundestag geworden sind: Menschenverachtung in Form von Flüchtlingsfeindschaft und Rassismus und Kulturkampf in Form von Anti-Feminismus.

Als eigene Anträge wurden von der AfD in dieser Woche die Themen „Schutz vor Inkassoforderungen“, „Amtszeitbegrenzung Bundeskanzler“ und „Elysée-Vertrag als Vorbild“ eingebracht. Letzteres ist die Blaupause der AfD zur Renationalisierung und Rückabwicklung der EU, verbunden jedoch mit einer Kritik an der EU, die in Teilen dem berechtigten Unbehagen größerer Teile der Bevölkerung entspricht. Der Redner, Norbert Kleinwächter, führt aus: „Die EU steht in Wirklichkeit für Armut statt Wohlstand. Sie steht – gerade Sie als Sozialisten sollten sich das anhören – für eine grenzenlose Finanzglobalisierung. Sie schickt die Menschen in die Arbeitslosigkeit, in eine halsbrecherische Konkurrenz mit Asien und in mies bezahlte Jobs, während sich die oberen 1 Prozent woanders ihre Pfründe sichern.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 87. Sitzung, S. 10296) Aus der Beschreibung sozialer Missstände folgt jedoch – wie meist bei der AfD – nichts. Woche für Woche spricht sich die Fraktion gegen jede soziale Dimension in Europa aus: Sozialer Ausgleich in Europa: nein; europäische Arbeitslosenversicherung: nein; EU-Vereinbarungen zu Mindestlöhnen: nein. Abschottung und Nation sind die einzigen (Schein)Antworten, die die AfD gibt. Kein Wunder bei einer Partei, die nach wie vor realpolitisch vor allem die Interessen der Wohlhabenden vertritt und an deren Privilegien nicht rütteln will. Den LINKEN-Antrag „Managergehälter gesetzlich beschränken“ lehnt die AfD ab. Die LINKE wolle, so Fabian Jacobi, „in altbekannter sozialistischer Manier die Vorstandsbezüge staatlich festlegen. Das ist plumper Linkspopulismus, den wir als freiheitlich und marktwirtschaftlich orientierte Partei natürlich ablehnen.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 86. Sitzung, S. 10170) Für die AfD ist es völlig okay, wenn Manager das 70-fache oder auch schon mal das 170-fache des Durchschnittsverdienstes in ihren Unternehmen bekommen. Jacobi meint: „Wer eine große Verantwortung trägt, der darf auch ordentlich verdienen.“ (Ebd.) Auch hier hatte man sich die „Partei der kleinen Leute“ immer ganz anders vorgestellt.

Die Umwertung von Fakten gehört zum Kerngeschäft der modernisierten radikalen Rechten. Die AfD nutzt sie insbesondere im Bereich des Kulturkampfes. Abgewickelt wird so z. B. der Internationale Frauentag, den es laut AfD nicht mehr braucht, weil alle Ziele längst erreicht sind. Bei der Abgeordneten Beatrix von Storch hört sich das so an: „Bei allem, was schlecht läuft in diesem Land, können wir heute aus Anlass des Internationalen Frauentages etwas Positives sagen: Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist in Deutschland tatsächlich erreicht, und das schon seit Jahrzehnten. (…) Und weil das so selbstverständlich ist, sollten wir darüber überhaupt nicht mehr sprechen. Deswegen brauchen wir eigentlich auch keinen Internationalen Frauentag. Dem Mainstream-Feminismus geht es aber nicht um Gleichberechtigung, sondern um Gleichstellung. Gleichstellungspolitik zerstört Gleichberechtigung. (…) Wir müssen heute aktiv die Gleichstellungspolitik bekämpfen, um die Gleichberechtigung zu bewahren.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 87. Sitzung, S. 10280) Die Entgeltdifferenz zwischen Männern und Frauen z. B., seit Jahren durch den „Equal pay day“ in den Fokus gerückt, lässt sich eben nur durch Gleichstellung erreichen, wofür jedoch die AfD nachweislich nicht steht. Nicole Höchst, als zweite Rednerin der AfD in der Debatte zum Frauentag, geht weiter: „Brauchen wir den klassischen Feminismus noch? Weg damit!“ (Ebd., S. 10286) Statt den ganzen Kladderadatsch von „Gleichstellung“ müsse es endlich um das tatsächliche Thema gehen, „die islamische Unterwerfung der Frau.“ (Ebd.) Hier läuft sie dann zu großer Form auf und fordert, „dass wir nicht ohne Not zusätzliche Horden testosterongesteuerter junger Männer aus islamisch geprägten Kulturkreisen en masse importieren und uns mit Messern oder sonst wie abschlachten lassen.“ (Ebd.)

Der Abgeordnete Brandner, berüchtigt für seine Art des „Herrenwitzes“, nimmt sich in der Debatte zur „Stiftung Forum Recht“ – ein Projekt zur Veranschaulichung des Rechtsstaates – gleich mal die Verfassungsrichterin Susanne Baer vor. Die hatte es gewagt, sich als Feministin zu bezeichnen: „Schließlich verlangt der Rechtsstaat von der Judikative, von den Gerichten, dass sie unabhängig von jeder Ideologie und politischer Anschauung gleiches Recht für alle sprechen. Das, meine Damen und Herren, ist die berühmte Augenbinde der Justitia. Sie kennen die Bilder alle. Ein gutes Gegenbeispiel ist die Verfassungsrichterin Baer, die sich selbst als Feministin – was immer das sein mag – definiert und sich vor ihrer Berufung bereits intensiv damit beschäftigte, wie man ihre und andere krude Gender- und Quotenideologien in die deutsche Rechtspraxis einfließen lassen könnte. Diese Frau Baer ist nun die Beauftragte des Bundesverfassungsgerichts für dieses Museumsprojekt. Dies lässt aus unserer Sicht Schlimmes erahnen. Man – oder frau – macht damit doch den Bock zum Gärtner oder – wie man gendert – das Mutterschaf zur Gärtnerin, wenn eine exponierte Vertreterin dieses ideologischen Rechtspositivismus – manche sagen auch einfach schlicht: dieses Unsinns – an der Gestaltung eines solchen Projekts, zumal an wichtiger Position, beteiligt wird.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 87. Sitzung, S. 10310) Mit einem konservativen, reaktionären und manchmal auch faschistischen Rechtspositivismus, wie er in der deutschen Geschichte bis heute eher die Norm ist, hat die AfD natürlich keine Probleme.

Die Pathologisierung des politischen Gegners wird von der AfD auch auf die Schüler-Demos der Fridays-for-Future angewandt. Da es den vom Menschen gemachten Klimawandel laut AfD ja nicht gibt, kann sie sich die internationale Schülerbewegung zum Thema nur als verführt und fehlgeleitet erklären. Der MdB Martin Sichert meint: „Aufgabe einer verantwortungsvollen Politik ist es aber, dafür Sorge zu tragen, dass das Engagement der Jugend nicht in die Fänge der grünen Klimasekte gerät, einer Sekte, in der gewissenlose Gurus wie Herr Habeck, Frau Baerbock oder auch Frau Roth unsere Jugend mit irrationalen Klimaängsten für linksextreme Gesellschaftsmodelle gefügig machen wollen.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 86. Sitzung, S. 10081) Marc Jongen nimmt sich gleich das Gesicht der Bewegung, Greta Thunberg, persönlich vor. Dieses „Mädchen mit dem Habitus einer 12-jährigen“ werde „in einer professionellen Kampagne missbraucht, in der es um Macht und sehr viel Geld geht (…). Der Fall Greta ist von höchster Symbolkraft für die wahnhafte Klimarettungspolitik im Ganzen, die immer mehr einer Zivilreligion gleicht mit Greta Thunberg als kindlicher Prophetin an der Spitze. (…) Asperger-Patienten pflegen ein extremes Schwarz-Weiß-Denken. Das Abwägen und Differenzieren ist nicht ihre Sache. Aber gerade das wäre in der Klimapolitik das Entscheidende. Greta Thunberg steht auch ganz bewusst dazu.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 87. Sitzung, S. 10372) Was soll man daraus anderes lesen, als dass Jongen die Schülerinnen und Schüler als verführte Autisten ohne Differenzierungsvermögen darstellt?

„Migrationsanreize vermeiden – Keine Taschengelderhöhung für ausreisepflichtige Asylbewerber“, schon der Titel der von der AfD beantragten Aktuellen Stunde soll bewusst in die Irre führen. Hintergrund ist eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass allen in Deutschland lebenden Menschen, unabhängig von ihrem Aufenthaltsstatus, ein menschenwürdiges Existenzminimum zusteht. Für eine Partei, die Menschen ganz offensichtlich unterschiedliche Wertigkeiten zumisst natürlich ein Skandal. Ihr Abgeordneter Gottfried Curio darf im Plenum seinem Hass auf diese Menschen freien Lauf lassen. Von „bedingungsloser Vollversorgung“ war da die Rede, die „auf Kosten des deutschen Arbeiters“ gehe (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 86. Sitzung, S. 10110 f.). Wir erinnern uns: Managergehälter in Millionenhöhe sind für die AfD okay, wenige Euro mehr für Menschen am Ende der sozialen Stufenleiter dagegen sind ein Skandal. Diese Form der Klassenspaltung ist bei der AfD Programm.

Martin Sichert, als zweiter AfD-Redner, nahm diesen Faden des Ausspielens subalterner Gruppen gerne auf: „Während Ausländer jedes Jahr etliche Milliarden in ihre Heimatländer transferieren, können sich viele Rentner nicht einmal die Geschenke für ihre Enkel zum Geburtstag oder zu Weihnachten leisten.“ (Ebd., S. 10120) Wenig originell dann seine Umwertung des Rassismusvorwurfs: „Sie wollen nämlich gar keine Politik, die für die Bürger gut ist oder die die Bürger verstehen können, sondern Sie wollen bewusst den Rassismus im Land schüren. Je mehr Sie Asylbewerbern zukommen lassen und je mehr Deutsche zugleich in Armut abrutschen, desto mehr spalten Sie die Gesellschaft, desto mehr schüren Sie den Neid, und desto mehr schüren Sie die Fremdenfeindlichkeit. Ja, Sie von der SPD sind die Partei, die bei uns im Land ganz an vorderster Front Fremdenfeindlichkeit und Rassismus schürt. Leider sind Sie damit nicht allein; denn die Linken und die Grünen machen da immer mit großer Begeisterung mit. Wir wissen auch, warum sie das tun: damit Sie gute Argumente haben, ihre Freunde von der Amadeu-Antonio-Stiftung, von der Antifa und den zahllosen Organisationen gegen rechts mit sicheren Posten zu versorgen – lauter Gestalten, denen Sie sehr nahestehen und die wie viele von Ihnen völlig untauglich für das normale Berufsleben sind.“ (Ebd.)

Wie wahnhaft die AfD-Abgeordneten vom Thema Flucht und Migration besessen sind macht abschließend die Argumentation von Stephan Brandner zum in der Sache [aus meiner Sicht, G.W.] sinnvollen Antrag „Begrenzung der Amtszeit des Bundeskanzlers“ deutlich. Nicht demokratietheoretische Überlegungen sondern einzig der Hass auf die Amtsinhaberin Merkel sind für Brandner leitend. Was wäre dem Land erspart geblieben, wenn Merkels Amtszeit 2013 geendet hätte, so die Frage des Redners: „Es hätte wohl keine illegale wahnwitzige Grenzöffnung gegeben. Millionen Menschen aus fremden Kulturen wären nicht in unser Land und unsere Sozialsysteme geflutet. Viele Menschen – Mädchen, Frauen, Jungen, Männer – würden noch leben. Sie wären nicht Opfer der Messerzuwanderung, sie wären keine Opfer von Mord und Terror geworden.“ Politik wird von großen – oder verachtenswerten – Persönlichkeiten gemacht; dass die politische Rechte diesem schlichten Bild anhängt wundert nicht. Dass es ohne Frau Merkel die AfD nicht gäbe, wie Brandner mutmaßt, ist leider eine völlige Verkennung der tatsächlichen Ursachen des rechten Aufschwungs in Deutschland, Europa und darüber hinaus.

Alle Debatten können hier nachgelesen werden:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19085.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19086.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19087.pdf 


Dr. Gerd Wiegel ist Referent der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag.


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