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Dr. Gerd Wiegel

Die AfD im Bundestag - ein Rückblick auf die aktuelle Sitzungswoche

Nach wie vor spielt die Inszenierung als Opfer der „Altparteien“ für die AfD-Fraktion im Bundestag eine große Rolle. Mit der Wahrheit nimmt man es dabei nicht so genau und baut vor allem auf Unkenntnis des Publikums: Für die Wahrnehmbarkeit der Debatten im Bundestag und ihre Spiegelung in den Medien ist der Zeitpunkt der Debatte zentral. Für Regierung bzw. Opposition wichtige Themen werden deshalb in die Kernzeiten (Donnerstag- und Freitagvormittag) gelegt. Die Koalition verfügt über 50 Prozent der Kernzeiten, die anderen 50 Prozent müssen sich die Oppositionsfraktionen teilen. Bisher bevorteilte der Zugriff nach der Größe einseitig die AfD, die als größte Oppositionsfraktion über 50 Prozent der verbleibenden Kernzeiten verfügte (bei 12,6 Prozent gegenüber 29 Prozent von FDP, LINKEN und Grünen zusammen ein offenbar ungerechter Zustand). Eine unter den Fraktionen ausgehandelte Neuregelung verteilt diese „Oppositionszeiten“ jetzt gerechter, was von der AfD jedoch wahrheitswidrig als Bruch mit der Tradition aller westlichen Demokratien gewertet wurde, nach der die größte Opposition immer zuerst auf die Regierung antwortet (was nach wie vor auch im Bundestag so ist). Die Reden von Bernd Baumann für die AfD und Marco Buschmann (FDP) für die anderen Fraktionen geben diese Inszenierung und ihre Entlarvung gut wieder: https://dbtg.tv/fvid/7276064; https://dbtg.tv/fvid/7276065

In der Debatte zum Jahresbericht zum Stand der Deutschen Einheit zeichnet der AfD-Abgeordnete Enrico Komnig ein Bild von Staat und Gesellschaft, das nur eine (völkisch) revolutionäre Veränderung zur Folge haben kann: Die Regierung arbeite weiter an „einer auf Westdeutschland ausgedehnten DDR 2.0 (…). Bespitzelung der Bürger, Schmähung, Diskreditierung und Ächtung Andersdenkender, Gefügigmachung der staatlichen Medien: Das alles war Realität in der DDR, und das ist es heute wieder. Helmut Kohl, Konrad Adenauer und, ich vermute, sogar Herbert Wehner würden sich im Grabe umdrehen, während Ulbricht, Mielke und Honecker sich im Jenseits die Hände reiben.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 52. Sitzung, S. 5401) Wohlgemerkt: Nicht die Bespitzelung einer kritischen Öffentlichkeit durch Polizei und Inlandsgeheimdienste ist hier gemeint – die will die AfD ausbauen – sondern eine (viel zu seltene) politische und mediale Kritik an der Politik der AfD und ihres Umfeldes. Widerspruch gehört für diese selbsternannte Alternative offenbar nicht zur Grundlage der Demokratie.

Nicht die Zerschlagung sozialer Sicherungen, die Deindustrialisierung weiter Teile Ostdeutschlands, die Übernahme der führenden Positionen durch Menschen aus dem Westen, die Aberkennung der Lebensleistungen der Menschen in Ostdeutschland sind laut AfD Problem der Einheit, sondern – natürlich – die Zuwanderung und damit in ihrem Verständnis der „Import von Parallelgesellschaften, von fremden Kulturen und von Kriminalität“, so der Abgeordnete Steffen Kotré in der gleichen Debatte. Merkel erscheint als vaterlandslose Gesellin, die „die deutsche Fahne ja mal verächtlich weggetan“ habe und mit Erdogan „lieber vor der türkischen statt vor der deutschen Fahne“ sitze (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 52. Sitzung, S. 5410). Hintergrund, so Kotré, sei ihre Auffassung, „zum deutschen Volk gehört jeder, der hier lebt“, was völliger Unsinn von Kotré ist, weil die von Frau Merkel geführte Regierung – ganz im Sinne der AfD – bis heute Millionen seit vielen Jahren in Deutschland lebenden Menschen elementare bürgerliche Rechte verweigert, z. B. das Wahlrecht für Menschen ohne deutschen Pass. Sinn ergibt eine solche Behauptung nur vor dem Hintergrund eines völkischen Weltbildes, nachdem die Gleichberechtigung von Deutschen mit Migrationshintergrund generell in Frage gestellt wird, sie also im Verständnis der AfD nicht zum „Volk“ gehören.

Die AfD will dieses völkische Weltbild auch gesetzlich verankern, zentral dabei ist zunächst der antimuslimische Rassismus. So brachte die Fraktion einen Antrag ins Plenum ein in dem es um die Ausweitung der Möglichkeit auf Aberkennung der Grundrechte (Artikel 18 GG) geht, der jetzt auch auf die Religionsausübung ausgeweitet werden soll (BT-Drucksache 19/4484). Was die AfD verbal im Plenum verschweigt aber ohne jeden Zweifel meint, ist die Aberkennung der Grundrechte für solche Muslime, die ihr als Islamisten gelten. Dass dies generell mit dem normalen Strafrecht auch ohne Grundgesetzänderung möglich ist, interessiert die AfD nicht, denn ihr geht es um den symbolischen Punkt und das Schüren von Ängsten.

Sozialpolitisch bewegt sich die AfD nach wie vor in Widersprüchen, häufig aber auch im eindeutig neoliberalen Fahrwasser. In der Debatte zur u.a. von der LINKEN beantragten „Gerechtere(n) Finanzierung der gesetzlichen Krankenversicherung im Jahr 2019“ (BT-Drucksache 19/4244) macht sich der AfD-Abgeordnete Jörg Schneider eins zu eins die Unternehmerposition zu eigen und zeigt anschließend, wie weit die AfD von der Lebensrealität der so oft zitierten „kleine Leute“ entfernt ist. Zur von der LINKEN geforderten Entlastung der Versicherten heißt es: „Den Entlastungen der Versicherten stehen quasi in gleicher Höhe Belastungen der Arbeitgeber gegenüber. Das mag vielleicht zunächst egal sein, aber es wird unter Umständen dazu führen, dass Arbeitsplätze verloren gehen, es wird vielleicht dazu führen, dass neue Arbeitsplätze nicht in dem Maße geschaffen werden. Zumindest aber wird es den Spielraum von Arbeitgebern bei zukünftigen Lohnabschlüssen einengen.“ Sein Gegenvorschlag lautet: „ein echter Wettbewerb“ – das Patentmittel der Neoliberalen – und eine Werbeeinlage für die private Krankenversicherung: „Ich mache Ihnen einmal einen Vorschlag. Ich persönlich bin privat krankenversichert. Das ist gar nicht so teuer, weil ich im Jahr bis zu 2 000 Euro selber bezahle. Das bedeutet: Wenn ich jetzt nicht gerade schwer erkranke oder einen Unfall habe, zahle ich sämtliche Arztrechnungen und Medikamente selber.“ (alle Zitate Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 52. Sitzung, S. 5486) Relative oder reale Armut, chronische Erkrankungen, krankmachende Arbeitsbedingungen – all das scheint für die AfD eine fremde Lebenswelt zu sein.

Zum LINKEN-Antrag „Rückkehrrecht in Vollzeit für alle Beschäftigten“ (BT-Drucksache 19/4525) und einem weniger weitgehenden Gesetzentwurf der Bundesregierung verstrickt sich die AfD in völlige Widersprüche. Während der Abgeordnete Jürgen Pohl am Gesetzentwurf der Bundesregierung (zurecht) beklagt, er ginge nicht weit genug und berücksichtige Beschäftigte in kleinen Betrieben nicht, klagt wenige Minuten später der AfD-Abgeordnete Norbert Kleinwächter, selbst der Entwurf der Bundesregierung (und erst recht der Antrag der LINKEN) ginge viel zu weit und benachteilige einseitig die Arbeitgeberseite: „Der Arbeitgeber hat sehr viele Pflichten, und der Arbeitnehmer – na ja, der hat einfach Bock. Ausgewogen ist das nicht, meine Damen und Herren.“ Die Arbeitswelt stellt sich für Kleinwächter als ein idyllisches Miteinander von Beschäftigen und Unternehmer dar, in der es keine Interessengegensätze und Machtgefälle gibt: „Das Zauberwort in Deutschland heißt: Vertragsfreiheit. Das funktioniert so: Es gibt einen Arbeitgeber, und es gibt einen Arbeitnehmer, und die machen einen Vertrag, der ihren Interessen entspricht; denn sonst gäbe es die beiden Unterschriften darunter nicht. Und wenn sich die Interessen abändern, dann können Arbeitgeber und Arbeitnehmer einen Änderungsvertrag machen, der diese Interessen reflektiert.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 53. Sitzung, S. 5734) So einfach ist die Arbeitswelt für die AfD, alles auf Augenhöhe. Klar, dass es da keine Interessenvertretungen wie z. B. Gewerkschaften braucht.

Schließlich macht auch Franziska Gminder in der von der LINKEN initiierten Debatte zu „Zehn Jahre nach der Pleite der Investmentbank Lehman Brothers – Finanzkrisen durch strikte Regulierung und Umverteilung verhindern“ (BT-Drucksache 19/4241) deutlich, auf welcher Seite die AfD steht – auf der der Banken und des Kapitals: „Was bieten da Linke und Grüne als Heilmittel an? Die Linke will Finanzkrisen durch strikte Regulierung und Umverteilung von oben nach unten verhindern. Das sind die Uraltideen der sozialistischen Planwirtschaft und die ewige Leier der Vermögensteuer.“ Und auch bei ihr finden sich die Zauberworte des Neoliberalismus – „Leistungsprinzip“, „Selbstheilungskräfte des Marktes“: „Ein Finanz-TÜV, keine provisionsorientierte Finanzberatung – all das ist kontraproduktiv zum Leistungsprinzip und würgt jede Initiative und die Selbstheilungskräfte des Marktes ab.“ (Ebd.)

Bernd Lucke könnte stolz sein, es gibt sie noch, die neoliberalen Kräfte in der AfD und im Bundestag geben sie noch häufig den Ton an. Rassismus für die kleinen Leute und für die Großen dazu noch den Schutz ihres Geldbeutels, das ist die ganze Politik dieser Partei.


Dr. Gerd Wiegel ist Referent der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag.


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