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Dr. Gerd Wiegel

Die AfD im Bundestag - ein Rückblick auf die aktuelle Sitzungswoche

Die erste Sitzungswoche nach der Sommerpause – eine Haushaltswoche – stand ganz im Zeichen der Ereignisse von Chemnitz und des offensichtlichen Zusammengehens der AfD mit Teilen der militanten neofaschistischen Rechten. Die skandalösen und AfD-Positionen stützenden Äußerungen des BfV-Präsidenten Maaßen trugen weiter zum verbalen Schlagabtausch mit der AfD im Plenum bei.

So eröffnete die AfD die Debatte mit dem Geschäftsordnungsantrag, den Haushalt des Bundespräsidialamtes, entgegen sonstiger Gewohnheiten, im Plenum zu diskutieren. Hintergrund ist die verbale Unterstützung des Bundespräsidenten für das Konzert „Wir sind mehr“, die ihm auch in Teilen der Medien als Unterstützung für angeblich „linksextreme“ Bands ausgelegt wurde. Aufgrund einer erstmaligen Absprache aller anderen Fraktionen antwortete nur der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion auf diesen AfD-Antrag, um der AfD nicht unnötig Raum in der Debatte einzuräumen.

In der Generaldebatte (Elefantenrunde) am Mittwoch blieb es dem Fraktionsvorsitzenden Gauland vorbehalten, das zentrale Thema der AfD, die unauflösliche Verbindung von Zuwanderung und Kriminalität, rhetorisch geschickt zu intonieren. Die Frage nach der Gefährdung des “inneren Friedens“ war die Figur, mit der Gauland den offensichtlichen Riss in der Gesellschaft als Folge der Flüchtlingspolitik der Regierung und ihrer Unterstützer darstellte. Die Vorlagen aus dem Innenministerium (Seehofer zur Migration als „Mutter aller Probleme“) wurden von der AfD gerne aufgegriffen und gegen den Teil der Regierung gewandt, mit dem auch der Innenminister über Kreuz liegt. Qualitativ neu ist, dass sich die AfD inzwischen auf Teile der Funktionseliten des Landes bei ihrer Propaganda berufen kann. So wurde mit Blick auf Maaßen von Gauland natürlich bestritten, dass es „Menschenjagden“ gegeben habe: „Tatsächlich war die Polizeibilanz in Chemnitz nicht anders als bei einem mittleren Bundesligaspiel.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 48. Sitzung, S. 5037) Mehr als 140 Anzeigen, mehr als 30 rechte Gewalttaten und der sprunghafte Anstieg rassistischer Angriffe werden mit Verweis auf den BfV-Präsidenten und den sächsischen Ministerpräsidenten einfach beiseite gewischt. Der Nazimob wird von Gauland zu „ein paar aggressive(n) Hohlköpfen“ (Ebd., S. 5036) von denen man sich distanziere, die von der Kanzlerin benutze Formulierung der „Zusammenrottung“ als Reminiszenz an das DDR-Strafgesetzbuch und den Umgang der DDR mit ihren Gegnern umgedeutet. Mit den Aussagen des BfV-Präsidenten werden die Kanzlerin und ihr Sprecher in die Verbreitung von Fake News gezogen. (Gaulands Rede kann hier nachgehört werden: https://dbtg.tv/fvid/7270930 )

Die Causa Maaßen ist ein Alarmzeichen: Eine Lehre aus Weimar muss sein, dass alle Alarmglocken schrillen müssen, wenn Teile der Funktionseliten des Staates auf die Seite der Feinde der Demokratie gehen. Der von Martin Schulz (SPD) erhobene Vorwurf, die rhetorische Figur der Reduzierung aller Probleme auf eine einzige Ursache, einen einzigen Sündenbock, sei ein „tradiertes Mittel des Faschismus“ (Ebd., S. 5038) ist völlig richtig und nach den Ereignissen von Chemnitz auch eine angemessene Beschreibung der realen Gefahr.

Auch in zahlreichen weiteren Debatten zum Haushalt kamen Chemnitz und die Causa Maaßen immer wieder zur Sprache. Der Abgeordnete Karsten Hilse (AfD) bezeichnete die „Leitmedien“ als „Systemmedien“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 47. Sitzung, S. 5003), womit er auch sprachlich den Duktus der extremen Rechten übernommen hat. Der Abgeordnete Rainer Kraft machte, möglicherweise unwillentlich, deutlich, dass die Distanzierung von den „aggressiven Hohlköpfen“, als die Gauland die Nazis bezeichnet hatte, doch nicht so ernst gemeint war, denn für ihn waren, mit Blick auf das Konzert „Wir sind mehr“ „die einzigen Extremisten in Chemnitz, die es gegeben hat“ diejenigen, „auf einer Bühne und haben etwas produziert, was manche für Musik hielten.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 47. Sitzung, S. 5011)

Wie immer bleibt es dem AfD-Abgeordneten Gottfried Curio vorbehalten, die größten verbalen Zuspitzungen vorzunehmen. An Wortschöpfungen wie „Messermorde“ und „Migrantenverbrechen“ hat man sich viel zu schnell gewöhnt aber diesmal ging es Curio vor allem um die Opferrolle – ‚der‘ Deutschen und der AfD: „Den deutschen wird in Chemnitz, wie anderswo, ihr täglicher friedlicher Lebensraum genommen.“ „Duisburg, Berlin, Köln, Chemnitz: überall No-go-Areas“; „Die Hass- und Hetzjagd [hier gibt es sie also, G.W.] gegen die größte Oppositionspartei wird eskaliert, je mehr Bürger in ihr ihren einzigen Anwalt sehen.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 49. Sitzung, S. 5150 bzw. 5151) Und wo Seehofer die Migration als „Mutter aller Probleme“ sieht, ist sie für Curio die „Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts“, vergleichbar nur mit dem Ersten Weltkrieg: „Nach der Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts, 1914, erleben wir etwa 100 Jahre später im Herbst 2015 einen beispiellosen Dammbruch: für Völkerwanderung und Kulturkampf. Dieses Ereignis wird die Urkatastrophe des 21. Jahrhunderts sein“ (Ebd., S. 5151). Auch an solchen Beispielen lässt sich erkennen, dass der verbale Wettlauf mit der extremen Rechten nie zu gewinnen ist.

Ansonsten wurde von der AfD vor allem der Kulturkampf gepflegt. Martin Renner (AfD) macht im Haushalt der Kulturstaatsministerin das „Ideologiezentrum“ der Regierung Merkel aus: „Dieser Haushaltsplan atmet, zumindest zumeist, den linken Zeitgeist. Er huldigt dem kulturmarxistischen Zeitgeist der 68er und ihrer Apologeten.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 48. Sitzung, S. 5077). Marc Jongen (AfD) sprach Regierung, linker Opposition und Medien mit Blick auf Chemnitz „Urteilskraft, Wahrhaftigkeit, intellektuellen Anstand“ ab, denn zur Bildung gehöre „auch ein gesundes Selbstbewusstsein als Nation.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 49. Sitzung, S. 5245) Der beschränkte Blick der Rechten machte sich bei der berechtigten Kritik am Bologna-Prozess der Hochschulbildung fest, die von Jongen als „Akt der kulturellen Unterwerfung unter ein globalisiertes Studiensystem“ (Ebd.) gedeutet wurde. Dass es sich hier jedoch gerade nicht um einen Kulturkampf sondern um knallharte neoliberale Modernisierungspolitik handelt, die den Imperativen des Marktes folgt, bleibt der Rechten mal wieder verschlossen. Stattdessen arbeitet sich Jongen zum wiederholten Mal an Genderprofessuren ab, diese als Vertreter_innen einer „Pseudowissenschaft, die auf Dogmatik und Denkverboten beruht“ denunziert, die es zuletzt „in der DDR in Gestalt des sogenannten Marxismus-Leninismus“ gegeben habe. (Ebd., S. 5246)

Für Mariana Harder-Kühnl (AfD) sind Kinderbetreuungseinrichtungen wie Kitas und Horte Formen „staatlicher Fremdbetreuung“ mit denen der Staat „die Lufthoheit über den Kinderbetten“ gezielt ausbauen wolle. (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 49. Sitzung, S. 5225) Und ganz der homophoben Ausrichtung der AfD angemessen sind die Vorschläge von Stephan Brandner und Jens Meier (beide AfD) , Einsparungen im Haushalts des Justiz- und Verbraucherschutzministeriums bei der Magnus-Hirschfeld-Stiftung vorzunehmen. Brandner nennt sie „unsinnige Ideologieprojekte (…) die sich mit irgendwelchem Sexgebaren beschäftigt“ (Ebd., S. 5172).

Die AfD-Abgeordnete Birgit Malsack-Winkemann führte in der Debatte ihre Gleichsetzung von Geflüchteten mit gefährlichen Trägern von Krankheiten aus der vorangegangenen Haushaltsdebatte fort: „Wenn aber jeder vierte Migrant mit antibiotikaresistenten Bakterien besiedelt oder infiziert ist und zudem noch die beschriebenen Krankheiten nach Deutschland kommen, bedarf es zum einen einer gründlichen Gesundheitsuntersuchung jedes Migranten und zum anderen einer Form der Quarantäne der erkrankten Migranten im Verhältnis zur einheimischen Bevölkerung.“ (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 50. Sitzung, S. 5259)

Sozialpolitisch kommt von der AfD nach wie vor nichts. Im Gegenteil: beim zentralen Thema Mietpreise werden von ihr in Gestalt des Abgeordneten Peter Boehringer Versuche, dem über eine Mietpreisbremse entgegen zu wirken, als „durch und durch sozialistische Konzepte“ abgetan, deren Ursprung bei „anderen Sozialisten“, nämlich der NSDAP lägen.

Alle Debatten können hier nachgelesen werden:

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19047.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19048.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19049.pdf

http://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19050.pdf

Dr. Gerd Wiegel ist Referent der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag.


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