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Dr. Gerd Wiegel

Die AfD im Bundestag - ein Rückblick auf die aktuelle Sitzungswoche

Angesichts der Ereignisse dieser Sitzungswoche stellt sich (zumindest mir) die Frage, ob die AfD in dieser Hysterisierungsdynamik der Corona-Proteste vor allem Treiberin oder doch eher Getriebene ist? Vor wenigen Wochen erst hatte die Bundestagsfraktion ein Papier zum Umgang mit der Corona-Krise beraten, in dem es um eine klarere und einheitlichere Kommunikation zur Krise ging, mit der auch Menschen erreicht werden sollten, die der Partei bisher skeptisch gegenüberstehen, die aber an der Sinnhaftigkeit der Maßnahmen zweifeln. Ob diese Menschen mit AfD-Aktionen wie in der letzten Woche erreicht werden, bleibt abzuwarten. Kurzfristig haben auf jeden Fall die Verschwörungsapologeten der völkischen Rechten das Bild der AfD nach außen geprägt. Dabei hat die Fraktion mit dem Einschleusen von Gästen, die Abgeordnete und Regierungsmitglieder im Bundestag bedrängten, eine klare Grenze überschritten. Der FDP-Abgeordnete Marco Buschmann sprach in Anlehnung an den Staatsrechtler Hans Kelsen vom Übergang von der "technischen Obstruktion" (Verweigerung bei formalen Abläufen) zur "physischen Obstruktion".

Der AfD ging es in dieser Sitzungswoche um zweierlei: die Delegitimierung der parlamentarischen Demokratie und die Etablierung einer Widerstanderzählung mit ihr als parlamentarischer Speerspitze. Der Vergleich mit dem Ermächtigungsgesetz der Nazis war ein zentrales Element dieser Strategie und der Abgeordnete Petr Bystron bestätigt das hier sehr offen: https://m.facebook.com/bystronpetr/videos/1775966742560089/

Der Abgeordnete Hans Jörg Müller, der sich schon bei der Querdenken-Demo am 29.08.2020 in einer Rede am Brandenburger Tor als Anhänger der Reichsbürgerideologie gezeigt hatte, betätigte sich am 18.11. den ganzen Tag über als eine Art Kriegsberichterstatter und war darum bemüht, die Bundesrepublik mit Weißrussland zu parallelisieren und zum Widerstand gegen das ,Regime' aufzurufen: https://m.facebook.com/HansjoergMuellerMdB/videos/wei%C3%9Frussische-methoden-durch-die-amtierende-deutsche-regierung-vor-dem-reichstag/823692215093533/?__so__=permalink&__rv__=related_videos

Dem dienen auch die empörten Berichte seiner Gäste: https://m.facebook.com/HansjoergMuellerMdB/videos/das-ende-der-demokratie-in-deutschland/419608249070676/?__so__=permalink&__rv__=related_videos

Innerhalb der AfD-Fraktion haben die Vorgänge zu Unruhe und Missfallen geführt - in welchem Maße, ist unklar. Die Entscheidung, die Abgeordneten Bystron und Hemmelgarn - die beide Einlader der besagten Gäste waren - bis März 2021 nicht mehr im Plenum reden zu lassen, trifft beide nicht wirklich hart, gehören sie doch zu den eher seltenen Rednern der Fraktion. Die öffentlichen Äußerungen von Meuthen und Lucassen zu den Vorfällen richten sich eindeutig gegen die Fraktionsführung, die den Laden offensichtlich nicht mehr im Griff hat: https://www.tagesschau.de/inland/afd-fraktion-113.html

In der Debatte zum Bevölkerungsschutzgesetz war die AfD darum bemüht, den Tag als Zäsur und Übergang in eine (schleichende) Diktatur darzustellen. Ihr Erster Parlamentarischer Geschäftsführer, Bernd Baumann, behauptete, die "Gesetzesvorlage ist eine Ermächtigung der Regierung, wie es das seit geschichtlichen Zeiten nicht mehr gab." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 191. Sitzung, S. 24046) Was immer "geschichtliche Zeiten" konkret seien mögen, für die AfD ging es um den Vergleich mit der NS-Zeit. Gauland sprach vom Misstrauen, das explodieren werde: "Das sehen sie auf den Straßen, das sehen sie an der Aggression, die sie überall spüren." (Ebd., S. 24051) Unerwähnt ließ der AfD-Fraktionsvorsitzende, dass vor allem die AfD kräftig an der Aggressionsspirale drehte.

So sprach Gauland von einer "nahenden smarten Gesundheitsdiktatur" und bezeichnete "Herrn Drosten" als "aktuelle(n) deutsche(n) Souverän", weil angeblich er die Pandemie von nationaler Tragweite definiere. (Ebd.) Die Zwischeninterventionen der AfD-Abgeordneten sollten das Demonstrationsgeschehen ins Plenum transportieren, etwa wenn der Abgeordnete Bystron völlig wahrheitswidrig davon sprach, "die Menschen werden wie Vieh zusammengepfercht." (Ebd., S. 24063)

Während die AfD sich zur einzigen Partei des Widerstands gegen das Bevölkerungsschutzgesetz stilisierte, sah die Realität ganz anders aus, denn sowohl FDP wie auch LINKE lehnten - nur eben mit ganz anderen Begründungen - das Gesetz ebenfalls ab. Jan Korte führt für die LINKE aus, wie sich eine demokratische Ablehnung begründet: https://dbtg.tv/fvid/7484237

Die Ereignisse vom Mittwoch spiegelten sich in der Aktuellen Stunde vom Freitag, die die Bedrängung von Abgeordneten im Bundestag durch Gäste der AfD-Fraktion zum Thema hatte. Deutlich wurde hier, dass alle bis auf die AfD diese Vorgänge als Grenzüberschreitung bewerteten, die man der AfD nicht durchgehen lassen wolle.

Weitgehend verlogen war die Entschuldigung von Gauland, der zwar den Vorgang verurteilte aber keine Schuld bei der AfD erkennen wollte: "Ich möchte betonen, dass diese Besucher ganz offiziell angemeldet waren und somit auch die Sicherheitsüberprüfung durchlaufen haben. Wir konnten also nicht damit rechnen, dass so etwas passiert. (.) Die Unterstellungen allerdings, diese Vorfälle seien von uns, wie es Herr Grosse-Brömer ja auch gerade gesagt hat, beabsichtigt gewesen, das sei eben der Stil der AfD, diese Unterstellungen sind infam." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 193. Sitzung, S. 24369) Wie zum Beleg der Vorwürfe der anderen Fraktionen nominierte die AfD ausgerechnet einen ihrer größten Verschwörungsapologeten, Karsten Hilse, zum zweiten Redner der Debatte, dessen vorübergehende Festnahme durch die Polizei die Fraktion dazu nutzte, sich als eigentliches Opfer der Ereignisse darzustellen. Nach seinem Bekenntnis zur Verwendung des Begriffs "Ermächtigungsgesetz" ging er gleich zum Angriff über: "Sie haben im vollen Bewusstsein aus Opportunität oder aus Feigheit für ein Gesetz gestimmt, das die Tür zur Diktatur aufstößt. Schämen Sie sich! (.) Die Polizeiführung Berlins ist Erfüllungsgehilfe dieser völlig außer Rand und Band geratenen Bundesregierung." (Ebd., S. 24376) Petra Pau macht in ihrer Rede für DIE LINKE deutlich, dass es sich beim Vorgehen der AfD sehr wohl um eine bewusste Strategie eines Teils der Partei handelt und in welche Tradition sie sich stellt: https://dbtg.tv/fvid/7485280

Die gesamte sehr aufgeregte Debatte kann hier nachgehört werden: https://dbtg.tv/fvid/7485273

In der Debatte zum LINKEN-Antrag "Femizide in Deutschland untersuchen, benennen und verhindern" (Drs. 19/23999) zeigte die AfD Rednerin Mariana Iris Harder-Kühnel, dass sie Gewalt gegen Frauen nur bei ausländischen Männern ausmachen kann: "Nun gibt es Gesellschaften, in denen Frauen geschätzt werden. Deutschland war einmal eine solche Gesellschaft. Und es gibt Gesellschaften, in denen Frauen wie Dreck behandelt werden, wie verfügbare Sklavinnen, wie Menschen zweiter Klasse, die man im Kindesalter zwangsverheiraten kann, die man auch mal aus Gründen der Ehre ermorden darf. Das sind Gesellschaften, die man in Nordafrika und im Nahen und Mittleren Osten antreffen kann. Deutschland ist auf dem besten Weg, zu einer solchen Gesellschaft zu werden. Sie machen Berlin zu Bagdad." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 192. Sitzung, S. 24300) Der Behauptung, Gewalt gegen Frauen habe vor allem seit 2015 und damit seit dem Zuzug größerer Gruppen von Geflüchteten zugenommen, widersprach die LINKE Abgeordnete Anke Domscheit-Berg in einer Kurzintervention: "Ich lese Ihnen mal ein paar Zahlen vor: 2014 waren es 160 Femizide pro Jahr. 2015 waren es 136, also weniger als 160. Seitdem verzeichnen wir fast jedes Jahr eine absinkende Zahl. Ich will damit nicht sagen, dass das Problem klein geworden ist; es ist immer noch skandalös groß. Aber 2019 waren es 117 Femizide, im Vergleich zu 160 im Jahre 2014 offensichtlich ein Rückgang. Das zeigt, dass Ihre rassistische Argumentation nicht Fakten standhält." (Ebd., S. 24301)

Der Kulturkampf gehört für die AfD zu den zentralen Kampffeldern um Deutungsmacht. Zur Debatte zum Thema Koloniales Unrecht legt sie zwei Anträge vor, deren Titel die Richtung vorgeben: "Restitution von Sammlungsgut aus kolonialem Kontext stoppen" (Drs. 19/19914) und "Die deutsche Kolonialzeit kulturpolitisch differenziert aufarbeiten" (Drs. 19/15785 und 19/21345) Für Marc Jongen und die AfD geht es darum, jede negative Seite nationaler Geschichte zu leugnen oder umzudeuten, um den unbefangenen Bezug auf die Nation zu ermöglichen. Der Vorwurf lautet: "Sie wollen das kulturelle Erinnern quasi in einer traumatischen Endlosschleife festschreiben, um Ihre politisch interessierte Schuldbewirtschaftung bis in alle Ewigkeit fortführen zu können." (Deutscher Bundestag, 19. Wahlperiode, Protokoll 192. Sitzung, S. 24231) Franz Fanons "Die Verdammten dieser Erde" und das Vorwort von Jean-Paul Sartre werden bei Jongen zum Ausdruck postkolonialer Gewalt und "europäischen Selbsthasses", ähnlich den "Denkmalstürze(n) durch einen kulturlosen Mob und die offen gewalttätige Black-Lives-Matter-Bewegung (.)." Vor all dem gelte es die junge Generation zu schützen: "Was anderes soll den jungen Leuten dort eingetrichtert werden als Abscheu und Scham vor der eigenen Kultur und Wehrlosigkeit gegenüber den immer dreisteren Versuchen, diese bis auf die Grundmauern zu schleifen?" (Ebd.)

Ende November hält die AfD ihren lange verschobenen Sozialparteitag ab. Dies vor Augen wird deutlich, dass die AfD in der gesamten Corona-Krise keine substantiellen Beiträge zu Fragen der sozialen Absicherung in der Krise oder zur Frage, wer die Kosten der Krise tragen muss, geleistet hat.

Alle Debatten können hier nachgelesen werden:

https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19191.pdf

https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19192.pdf

https://dip21.bundestag.de/dip21/btp/19/19193.pdf


Dr. Gerd Wiegel ist Referent der Fraktion DIE LINKE. im Deutschen Bundestag.


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