Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen
Landkreis TF
Antje Bauroth, Behinderten- und Seniorenbeauftragte des Landkreises Teltow-Fläming

Maritta Böttcher, Mitglied des Kreistages, Vorsitzende des Ausschusses für Gesundheit und Soziales

Politik konkret: Interview mit Antje Bauroth, Behinderten- und Seniorenbeauftragte des Landkreises

Antje Bauroth ist die Behinderten- und Seniorenbeauftragte des Landkreises Teltow-Fläming. Wir sprachen mit ihr über ihr Themenfeld, Aufgaben und wie der politische Raum noch stärker eingebunden werden kann.


Frau Bauroth, bitte eine kurze persönliche Vorstellung. Und was ist Ihr Aufgabenfeld?

Das Land Brandenburg hat in § 19 seiner Kommunalverfassung und der Landkreis Teltow-Fläming in § 13 seiner Hauptsatzung festgelegt, u. a. die Bevölkerungsgruppe der Senioren*innen stärker in die politischen Entscheidungen mit einzubeziehen. Dazu benennt der Kreistag eine beauftragte Person zur Integration von Menschen mit Behinderungen und zur Vertretung der Interessen der Senioren*innen. Im Jahr 2018 wurde ich dazu benannt. Davor habe ich bereits neun Jahre Erfahrung als Psychiatriekoordinatorin im Gesundheitsamt sammeln können. Somit sind mir die verschiedenen Anliegen der Personengruppen Menschen mit Beeinträchtigungen und ältere Menschen bekannt. Ich bin Diplom- Sozialpädagogin und habe mich bereits im Studium mit Themen wie z. B. »Was bewegt ältere Menschen?«, »Wie kann der Übergang vom Arbeitsleben ins Rentenleben gut gelingen?« befasst. Neben dem Studium betreute ich einen an Demenz erkrankten älteren Herren. Diese Aufgabe hat mich Geduld und Nachsicht für meine Mitmenschen und mich gelehrt. Im Bereich Unterstützung für Menschen mit Beeinträchtigungen konnte ich in einer Wohngruppe für Erwachsene mit kognitiven Beeinträchtigungen Erfahrungen als Betreuerin sammeln. Dort habe ich sechs Jahre gearbeitet.

All diese Erlebnisse und Begegnungen mit ganz unterschiedlichen Schicksalen und für die Rechte derer einzustehen, die manchmal keine Kraft mehr haben, hat mich bewogen, im sozialen Bereich zu arbeiten und den Landkreis gemeinsam mit anderen Kooperationspartnern weiter lebenswert zu gestalten.

Und es gibt viel zu tun. Die Themen, an denen kontinuierlich gearbeitet werden muss, sind keine neuen.

Nennen Sie uns bitte einige Beispiele bzw. Schwerpunkte. Wo muss die Politik ran?

Themen bezahlbarer Wohnraum und Barrierefreiheit:

Eine große Herausforderung ist bezahlbarer Wohnraum, Verbleiben im gewohnten Umfeld und barrierefreies Wohnen. Hier braucht es neue Lösungen und Anreize der Politik.

Durch verschiedene Förderprogramme konnten einige neue Kooperationspartner gefunden werden, u. a. die Fachstelle für Altern und Pflege im Quartier, das Kompetenzzentrum und das Netzwerk Demenz TF und die Koordinierungsstelle Barrierefreiheit. Diese Anlaufstellen für Betroffene sind unerlässlich für die Beratung. Daneben ist die Wohnungswirtschaft als Partner beim Thema Barrierefreiheit und bezahlbarer Wohnraum unerlässlich. Es sind Wohnungsbaugesellschaften wie z. B. »Die Luckenwalder«, die barrierefreies Bauen bereits mitdenken. Hier gibt es auch eine Ausstellung, in der vor Ort ganz praktische Wohnungsgegenstände, u. a. eine begehbare Dusche, ein Treppenlift oder eine barrierefreie Küche besichtigt werden können.

Thema Pflege:

In Teltow-Fläming ist fast jede fünfte Person älter als 65 Jahre. Insgesamt leben im Landkreis ca. 40.000 Menschen, die 65 Jahre alt oder älter sind. Wir haben in Teltow-Fläming ca. 9.000 pflegebedürftige Menschen. Je älter, desto höher die Wahrscheinlichkeit, pflegebedürftig zu werden. Die meisten Pflegebedürftigen werden von ihren Angehörigen oder von ambulanten Pflegediensten versorgt. Es wird jedoch zunehmend schwieriger, Pflegesachleistungen in Anspruch zu nehmen, auch, weil Fachkräfte fehlen. Alternativen zur niedrigschwelligen Betreuung über Pflegedienste könnte die »Nachbarschaftshilfe« bieten, die ohne große bürokratische Hürden für den Entlastungsbetrag anerkannt werden sollte. Diesen Entlastungsbetrag können alle Personen, die mindestens einen Pflegegrad 1 haben, in Anspruch nehmen. Damit werden nicht nur ältere Pflegebedürftige angesprochen, sondern auch Menschen, die »noch keine Altersrentner« sind, einen Grad der Behinderung haben und auf Pflege angewiesen sind.

Das würde auch der Vereinsamung mancher alleinlebenden pflegebedürftigen Person entgegenwirken. Aber nicht nur Alleinlebende sind dieser Gefahr ausgesetzt. Die kürzlich vorgestellte COVID-Heim-Studie der Charité Universitätsmedizin Berlin, die gemeinsam mit dem GKV-Spitzenverband erstellt wurde, zeigt auf, dass viele Bewohner*innen vereinsamt oder verwirrt sind und mit sozialem Rückzug auf die Kontaktbeschränkungen reagiert haben. Hier einen angemessenen Mittelweg zwischen gesundheitlicher Sicherheit und seelischer Unversehrtheit der Bewohner*innen zu finden, wird nicht einfach sein.

Thema Medizinische Versorgung:

Die demografische Entwicklung macht auch vor ambulanten medizinischen Versorgungsangeboten nicht halt. Immer mehr Arztpraxen erleben einen Generationenwechsel oder schließen. Viele Patienten*innen stehen dann vor der Herausforderung, eine neue Arztpraxis zu suchen, längere Anfahrtswege und längere Wartezeiten auf einen Termin in Kauf zu nehmen. Bei einigen Facharztbesuchen und Terminen zur Psychotherapie ist die Situation nicht erst seit kurzem eine Herausforderung.

Dazu kommt, dass viele Arztpraxen nicht barrierefrei erreichbar sind und somit mobilitätseingeschränkte Patienten*innen de facto keine freie Arztwahl haben.

Thema Mobilität:

Auch hier spielen wieder verschiedene Faktoren eine große Rolle. Wichtig wäre eine barrierefreie Mobilität, um auch beeinträchtigten Personen den öffentlichen Nahverkehr zugänglich zu machen. Hier ist der Landkreis zumindest mit der neu angeschafften Busflotte des VTF ein gutes Beispiel. Dazu gehört aber auch das barrierefreie Erreichen der Busse. Bisher gibt es einen großen Nachholbedarf von barrierefreien Haltestellen. Davon ist besonders der ländliche Bereich betroffen. Durch finanzielle Eigeninitiative und Förderprogramme konnten bereits einige Kommunen ihre Haltestellen barrierefrei gestalten.

Thema Inklusion:

Die UN-Behindertenrechtskonvention sagt die volle und wirksame Teilhabe an der Gesellschaft und Einbeziehung in die Gesellschaft aller Menschen aus. Insbesondere Menschen mit Behinderungen sind oftmals bei vielen Entscheidungen und Angeboten außen vor. Sie und auch deren Angehörige müssen meist einen langen Weg über bürokratische Hürden nehmen, bevor sie zu ihrem Recht kommen.

In Deutschland wurde durch die Einführung des Bundesteilhabegesetzes das theoretische Fundament für mehr Teilhabe in allen Bereichen gelegt. Dennoch mangelt es immer noch an der Umsetzung. Auch hier spielt der Fachkräftemangel und die finanzielle Sicherung durch klare Zuständigkeiten der Leistungsträger eine nicht zu unterschätzende Rolle.

Neben der Unterstützung von Angehörigen durch unbürokratische Hilfen sollte es mehr niedrigschwellige Angebote für Eltern insbesondere von minderjährigen Kindern mit Beeinträchtigungen geben. Auch die freie Wahl der Grundschule und der weiterführenden Schule über Ausbildung und Beschäftigung sollte für Menschen mit Behinderungen eine Selbstverständlichkeit sein.

Vielen Dank für diese Einblicke. Abschließend bitte noch ein Fazit und gern eine konkrete Bitte an den Kreistag als Entscheidungsgremium.

Durch die verschiedenen Richtlinien des Landkreises, die finanzielle Förderungen auch auf Landkreisebene möglich machen, konnten bereits viele Projekte realisiert werden. Wichtig wären eine Verstetigung und Ausfinanzierung. Wohlwissend, dass es sich um freiwillige Leistungen handelt, sollten sich die Mitglieder des Kreistages weiterhin für die soziale Gerechtigkeit aller Einwohner*innen des Landkreises im Zeichen unseres Leitbildes einsetzen.

Danke für das Gespräch. Sie haben uns an Ihrer Seite, versprochen.


Kontakt zur Fraktion:

Fraktion DIE LINKE/Die PARTEI
im Kreistag Teltow-Fläming

Zinnaer Straße 36
14943 Luckenwalde

Telefon: (03371) 63 22 67
Telefax: (03371) 63 69 36

E-Mail an die Fraktion