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Johannes Klemt
Kornelia Wehlan (l.) und Felix Thier
Das Foto zeigt Kornelia Wehlan und Felix Thier.

Kornelia Wehlan und Felix Thier

Interview zum Start der neuen Wahlperiode

Der 7. Kreistag des Landkreises Teltow-Fläming hat nach der Kommunalwahl vom 9. Juni seine Arbeit aufgenommen. Die erste Sitzung war am 8. Juli. Die Redaktion bat Landrätin Kornelia Wehlan (Die Linke) und den Vorsitzenden der Fraktion Die Linke-Die PARTEI-PDS, Felix Thier, um ein Interview.

Redaktion: Liebe Konni, lieber Felix, was sind Erwartungen an die neue Wahlperiode?

Kornelia Wehlan: Dass es auch weiterhin möglich ist, im Kreistag Sachpolitik zu machen. Dafür haben wir in den letzten Jahren gute Grundlagen gelegt und in unserem Leitbild »Miteinander leben und die Zukunft nachhaltig gestalten« die wichtigen Handlungsschwerpunkte für eine erfolgreiche Entwicklung des Landkreises herausgearbeitet. Verwaltung und Kreistag sind zwei Seiten einer Medaille. Es geht nur im Miteinander und natürlich heißt das auch Auseinandersetzung, aber in der Sache und im Suchen um den besten Weg ... Bei allen Entscheidungen ist zu bedenken, dass es immer um die Menschen in Teltow-Fläming geht. Bürgerinteressen über Parteiinteressen hat für mich heute an Aktualität eher zugenommen.

Felix Thier: Ich möchte Gemeinde- und Stadtpolitik gut mit der Kreistagspolitik zueinander bringen. Die unterschiedlichen Aufgaben, ob Grundschule oder Gymnasium, ob Kita oder Rettungsdienst, ob Bauhof oder ÖPNV dienen denselben Menschen in unseren Orten – egal, ob vom Kreis oder Stadt verantwortet.

Die Kreisumlage ist mir zu sehr Zankapfel als ein verbindendes Element, um uns gemeinsam gut aufzustellen. Hier gilt es zu differenzieren und abzuwägen – ja, aber das Wohl des einen darf nicht zu Lasten des anderen gehen. Ich muss in meiner Entscheidung berücksichtigen, dass die Kreisumlage eine Fehlbetragsfinanzierung ist, gebraucht wird, um den Landkreis mit all seinen Leistungen für die Bürgerinnen und Bürger am Laufen zu halten. Leider auch, weil Bund und Land Aufgaben an die Kreise geben und diese nicht ausfinanzieren.

Gleichermaßen wird jedes Prozent, was im Stadtsäckel bleibt, für die Aufgaben der Daseinsvorsorge hier vor Ort gebraucht. Priorität hat deshalb für mich, von den Widersprüchen der Kommunen zur Kreisumlage wegzukommen. Es sollte jedem klar sein, dass die 70 Millionen Euro, die durch die Widersprüche gebunden sind, der Handlungsfähigkeit des Landkreises und damit allen Kommunen fehlen.

Die Kreisumlage ist ein gutes Stichwort, da sie zum Haushalt des Landkreises gehört. Damit kommen wir auf die vom Kämmerer verhängte Haushaltssperre zu sprechen. Wie sieht es da aus, wie geht es weiter?

Kornelia Wehlan: Im Zuge der Hochrechnung des Mittelabflusses I. Quartal 2024 wurde dem Kämmerer bekannt, dass sich das Planergebnis des Ergebnishaushalts zum Jahresende 2024 in der Prognose wesentlich verschlechtert. Anstatt des ursprünglich geplanten Gesamtüberschusses in Höhe von 602.000 Euro ist derzeit ein Gesamtfehlbetrag in Höhe von 18,48 Millionen Euro prognostiziert. Dieser Betrag ist nicht aus der Portokasse zu leisten und zeigt ein strukturelles Defizit.

Der Deutsche Landkreistag hat am 8. Mai 2024 nach der Sitzung des Präsidiums im Landkreis Oberspreewald-Lausitz auf die schwierige Finanzsituation der Landkreise hingewiesen: »Die Lage der Kreisfinanzen ist mit einem Defizit von ca. zwei Milliarden Euro (Anmerkung: Defizit in 2023) ebenso besorgniserregend und bleibt es selbst nach den Prognosen des Bundesfinanzministeriums auch für die kommenden Jahre.«

Als wesentlicher Kostentreiber bei den Landkreisen wurden die Sozialausgaben benannt, die zu 80 Prozent aus den Kreishaushalten gestemmt werden müssen. Die größten Abweichungen liegen im Jugend- und Sozialhilfebereich sowie beim Jobcenter, welche einen Großteil der Mehraufwendungen prognostizieren, ohne durch Mehrerträge eine Deckung zu erzielen. Im Jugendbereich sind höhere Personalkosten in den Kindertagesstätten sowie Kosten für die Inobhutnahme höher ausgefallen, als ursprünglich im Plan berücksichtigt. Im Sozialbereich sind steigende Antragszahlen zu beobachten. Dies betrifft unter anderem die Bereiche Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung, Leistungen zur Beschäftigung in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen sowie in der häuslichen Pflegehilfe.

Für die Menschen, die über das Jobcenter betreut werden, sind für das hohe prognostizierte Defizit gestiegene Preise für Mieten und Mietnebenkosten (Kosten der Unterkunft), die ja aus dem Kreishaushalt kommen, aber auch höhere Gesundheitskosten sowie steigende Fallzahlen, ausschlaggebend. Für das Defizit bei den Kosten der Unterkunft ist maßgeblich, dass der Bund beim Flüchtlingsgipfel am 7. November 2023 nicht bereit war, die Landkreise bei der Unterbringung der Geflüchteten nicht nur anteilig, sondern zu 100 Prozent zu unterstützen. Die Kosten der Unterkunft für Bedürftige sind allein in den letzten fünf Jahren für den Landkreis um rund fünf Millionen Euro gestiegen.

Der Kämmerer hat mit der Haushaltssperre die Notbremse gezogen und alle Fachämter aufgefordert, ihre Prognosen zu überprüfen und Einsparpotentiale aufzuzeigen. Sofern mit der Haushaltssperre nicht der gewünschte Erfolg erreicht werden kann, wird der Erlass einer Nachtragssatzung bzw. eines Haushaltssicherungskonzepts unumgänglich sein.

Felix Thier: Zur Wahrheit gehört ebenso, dass dem Landkreis drei Millionen Euro aus dem Brandenburg-Paket fehlen. Gegen das Brandenburg-Paket hatte die AfD erfolgreich geklagt …

Überall im Landkreis stehen Sozialwohnungen und bezahlbarer Wohnraum kaum oder nicht mehr zur Verfügung, die Lasten für den Kreishaushalt werden dadurch immer größer. Die 440.000 Sozialwohnungen, die der Bund bis 2025 bauen wollte, sind eine Farce. Und das drückt zusätzlich auf den Wohnungs- und vor allem Mietmarkt. Das spürt man nicht nur im Speckgürtel, sondern die Mieten sind auch im Süden und noch mehr im Speckgürtel gewachsen. Erstausstattungen von Wohnungen werden ebenfalls teurer und landen für Bedürftige im Kreishaushalt.

Vieles ist teurer geworden. Wir alle merken das an den Preisen im Einzelhandel.

Im Februar hatte der Kreistag erst den Haushalt 2024 beschlossen, alles sah so weit gut aus. Warum ist das nun, nur wenige Monate später, alles anders?

Felix Thier: Dazu vorab: Wenn sich an der kommunalen Finanzausstattung nicht grundsätzlich etwas ändert, werden immer mehr Landkreise, Gemeinden und Städte in finanzielle Notlagen geraten. Und ja, hier vermittelt sich meines Erachtens deutlich auch der Druck auf die Höhe der Kreisumlage. In den letzten drei Jahren hatte der Landkreis seinen Haushalt schon mit einem Defizit geplant, durch Rücklagen aber gepuffert – was durch aufgebrauchte Rücklagen nun nicht mehr möglich ist. Dieser Druck wurde unter positiveren Annahmen wie Job-Motor und Flüchtlingsgipfel auf den Haushalt gelegt. Und hierbei waren insbesondere der Jugend- und Sozialbereich belastet.

Kornelia Wehlan: Die finanzielle Lage brandenburgischer Kommunen und auch die des Landkreises Teltow-Fläming zeigte sich zumindest bis in das Haushaltsjahr 2022 noch sehr robust. Zunehmend lässt sich aber eine steigende Schwankung sowohl der Erträge als auch der Aufwendungen beobachten. Mit Blick auf die zunehmende Eintrübung der Konjunktur, absehbar sinkende Steuereinnahmen auf allen staatlichen Ebenen, steigende Kosten in vielen Bereichen und die Folgen des kommunalen Tarifabschlusses, wurde bereits im Vorbericht zum Haushaltsplan 2024 eingeschätzt, dass sich die Perspektiven für die Kommunalhaushalte tendenziell verschlechtern werden.

Der Flüchtlingsgipfel des Bundes und der Länder Ende 2023 brachte eine Einigung zu Lasten der Kommunen. Passend dazu war der Landkreistag als unser Interessenvertreter zum Gipfel erst gar nicht eingeladen.

Wir haben also echte soziale Probleme.

Felix Thier: Das Geld ist da, es ist nur falsch verteilt. Wenn über Nacht Milliarden zur Rettung von Banken und 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr bereitstehen, werden aus meiner Sicht nur die Prioritäten falsch gesetzt.

Der Wohnungsbau stockt, Sozialwohnungen fehlen. Und das Segment an Sozialwohnungen sinkt weiter: 13.000 berechtigten Haushalten stehen gerade einmal zehn Prozent an verfügbaren Sozialwohnungen gegenüber.

Mobilität ist in Brandenburg dank der seit 30 Jahren SPD-geführten Landesregierung immer noch eine freiwillige Leistung, keine pflichtige. Das heißt, es gibt durch die kommunale Ebene nur ÖPNV, wenn die Kassenlage stimmt.

Immer mehr Menschen sind pflegebedürftig. Ja, stationäre Pflege wird vom Land bezuschusst. Das Problem ist aber, dass es in Teltow-Fläming kaum stationäre Pflegeeinrichtungen gibt. Vorherrschend ist die ambulante Pflege, die meisten Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut. Allerdings wird die ambulante Pflege zu 100 Prozent vom Landkreis finanziert, das Land gibt nichts dazu.

Die Geflüchteten aus der Ukraine bekommen ihre Abschlüsse nicht anerkannt, der so genannte Job-Motor der Bundesregierung ist gescheitert. Wiederum fehlen Kitaplätze, weil es nicht genug Personal gibt.

Wie geht es nun weiter mit dem Haushalt?

Kornelia Wehlan: Der Kämmerer wird dazu im Kreistag am 16. September den Mittelabfluss zum 30.06.2024 und die Prognose bis zum Ende des Jahres darlegen. Der Haushalts- und Finanzausschuss befasst sich bereits am 9. September mit diesem Thema. Ich denke aber, allen ist klar, dass man ein strukturelles Defizit nicht so einfach wegbeschließen kann.

Für die Verwaltung ist wichtig, dass wir zum 1. Januar 2025 einen beschlossenen Haushalt haben. Daran arbeiten alle Fachämter auf Hochtouren. Die haushaltslose Zeit, die bis zum Ende des Jahres anhalten wird, verlangt gegenwärtig von allen Beschäftigten und Führungskräften viel ab.


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Fraktion Die Linke-Die PARTEI-PDS
im Kreistag Teltow-Fläming

Rudolf-Breitscheid-Straße 19
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Telefon: (03371) 63 22 67

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