Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen
Catrin Wolf
Kornelia Wehlan

Kornelia Wehlan

Interview mit Landrätin Kornelia Wehlan (DIE LINKE)

Redaktion: Kornelia, vor zwei Jahren wurdest du auf der Mitgliederversammlung der LINKEN Teltow- Fläming in Ludwigsfelde für deine Wiederwahl als Landrätin nominiert. Heute sind bereits anderthalb Jahre in deiner zweiten Legislatur rum. Fast zehn Jahre Landrätin in Teltow- Fläming – wie siehst du diese Zeit?

Kornelia Wehlan: Wenn man zurückschaut und auch gegenwärtig – fühlt es sich an, wie eine Dauer-Krisen-Flatrate. Wir hatten Schuldenberge abzutragen, vor Krieg und Hunger fliehende Menschen bei uns aufzunehmen, riesige Waldbrände zu löschen, die Corona-Krise zu meistern und heute tobt ein Angriffskrieg in der Ukraine – mitten in Europa. Entgegen der Logik früherer parteiübergreifender Friedensbewegungen, sollen immer mehr Waffen Frieden schaffen. Forderungen, wie jüngst formuliert, »Frieden schaffen! Waffenstillstand und gemeinsame Sicherheit jetzt!« von Prominenten aus Politik, Kunst und Wissenschaft um Wolfgang Thierse (SPD), den früheren Bundestagspräsidenten, unterstütze ich persönlich sehr.

Ja, die Welt scheint aus den Fugen und das bei einem weltweit ad hoc Handlungsdruck mit Klimawandel, Energiekrise, unterbrochenen Lieferketten, Baukostenexplosionen, Zinsentwicklungen …

Aber, es ist auch so viel Positives. Unser Landkreis hat sich hervorragend entwickelt. Er ist jetzt »enkeltauglich «, die Schulden sind abgebaut, Zukunftsinvestitionen möglich. Steter Zuzug, vor allem von jungen Familien, und vordere Plätze in diversen Rankings zeugen davon, wie beliebt und erfolgreich Teltow-Fläming heute ist.

Heute erfüllen wir die damaligen Kriterien für unsere Eigenständigkeit und gegen eine Fusion mit einem anderen Landkreis, dafür sind Menschen auch in unserem Landkreis an Straßen und auf Plätze gegangen und haben Unterschriften gesammelt.

Ja, die Menschen sind es, die einer Region ihr Gesicht geben. Durch die große Hilfsbereitschaft der Menschen in Teltow-Fläming wie auch der Flüchtlingsinitiativen sind allein im vergangenen Jahr im Landkreis Teltow-Fläming rund 2.400 Vertriebene aus der Ukraine aufgenommen worden, von denen noch rund 1.800 im Landkreis verblieben sind. 90 Prozent von ihnen sind über kommunale und private Initiativen untergekommen. Dieses bürgerschaftliche Engagement ist nicht hoch genug zu würdigen.

Redaktion: Und die Schlagzeile in der Frauentagsausgabe der MAZ am 8. März 2023 »Anzeige gegen Kornelia Wehlan« und weitere, von Betrug, Untreue und Strafvereitelung ist dort die Rede?

Kornelia Wehlan: Das sind schwere Anschuldigungen. Diese machen mich sehr betroffen, vor allem, weil Mitarbeiter*innen aus einem Dezernats- und Amtsbereich meiner Verwaltung diesen öffentlich ausgesetzt sind.

In den acht Jahren meiner ersten Wahlperiode erhielt ich drei anonyme Anzeigen. »Verstöße gegen geltendes Recht in der Kreisverwaltung Teltow-Fläming unter der Landrätin Kornelia Wehlan (LINKE)« waren die Vorwürfe. Nun gibt es eine vierte. Wie die MAZ schreibt, geht es im Kern um den Denkmalschutz und den Vorwurf der fehlerhaften Verwendung von Fördermitteln.

Für mich als Landrätin ist der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung bindend und selbstverständlich. Insbesondere die Verwendung von kommunalen Zuwendungen wird durch das Rechnungsprüfungsamt des Landkreises nach Maßgabe der Bestimmungen der Brandenburgischen Kommunalverfassung sowie der durch den Kreistag beschlossenen Rechnungsprüfungsordnung geprüft. Ein abgeschlossener Prüfbericht des Rechnungsprüfungsamtes ist mir als Landrätin bisher nicht zugeleitet worden.

Redaktion: Stichwort Flüchtlingsgipfel. Die Kommunalbelange werden scheinbar nicht gehört. Wie ist deine Meinung?

Kornelia Wehlan: Ich habe die jüngsten Äußerungen und das (vorläufige?) Nein zu höheren Bundesmitteln der Bundesinnenministerin (SPD) zur Kenntnis genommen. Die Asyl- und Flüchtlingspolitik aber ist Bundesaufgabe und sollte in der Europäischen Union vereinbarungsgemäß funktionieren. Davon spürt man gegenwärtig wenig. Das Thema wird regelrecht ausgesessen und damit als akuter Handlungsschwerpunkt auf die Länder und die Kommunalebene abgewälzt, denn hier vor Ort kommen die Geflüchteten über die Landeserstaufnahmeeinrichtungen an. Im Landkreis sollen im Jahr 2023 weitere 1.761 Geflüchtete aufgenommen werden. Bis auf Einzelplätze sind jedoch alle Unterkünfte belegt.

Erschwerend kommt für uns hinzu, dass der Landkreis Einrichtungen hat, die bei der Inbetriebnahme als Übergangslösungen gedacht waren und nun grundsaniert werden müssen. Das würde die Situation in diesem Jahr weiter verschärfen, da im Bestand temporär erst einmal weniger Kapazitäten zur Verfügung stehen.

Überdies sind heute – wenn überhaupt – Liegenschaften nicht kurzfristig verfügbar und bedürfen im Zuge der Umnutzung umfangreicher Planungsprozesse. Hier muss der Bund endlich handeln, da wären gesetzliche Ausnahmeregelungen notwendig und Vergaberegelungen neu auszurichten. Auch laufen die Investitionskosten derzeit aus dem Ruder und sind mit der Kostenpauschale nicht auskömmlich.

Es fehlen Fachkräfte bei der Betreuung und zum Schutz der Geflüchteten. Überhaupt habe ich den Eindruck, dass die Themen wie Kita, Schule und ärztliche Versorgung gegenwärtig völlig ausgeblendet werden. Auch hier brauchen wir Unterstützung. Im Landkreis – in den Gemeinden und Städten – haben wir überall die Kapazitätsgrenzen erreicht. Der Mangel an Lehrer*innen und Erzieher*innen tut sein Übriges.

Redaktion: Wie sieht denn aktuell die Situation im Landkreis aus?

Kornelia Wehlan: Zurzeit leben im Landkreis 1.200 Geflüchtete mit unterschiedlichem Aufenthaltsstatus im Verantwortungsbereich des Sozialamtes Teltow-Fläming. Auf die zusätzlich 1.800 Vertriebenen aus der Ukraine die im Landkreis verblieben sind, habe ich schon hingewiesen. Die Geflüchteten kommen derzeit überwiegend aus der Ukraine, Afghanistan, Syrien und der Türkei.

Außer in Nuthe-Urstromtal, Baruth/ Mark und im Amt Dahme/Mark gibt es in jeder Kommune des Landkreises Gemeinschafts- und Notunterkünfte mit 30 bis 220 Plätzen. Ukrainische Vertriebene wurden in allen Kommunen aufgenommen.

Derzeit werden im Landkreis schon 15 Einrichtungen der vorläufigen Unterbringung betrieben. Allein im vergangenen Jahr wurden vier Einrichtungen neu in Betrieb genommen. Aber das reicht nicht aus. Deshalb sind wir dazu mit allen Kommunen im Gespräch und prüfen jedes Angebot, das wir erhalten. Letztendlich geht es darum, einen Rückgriff wieder auf Turnhallen zu verhindern. Unter fehlender Bewegung sowie mangelnden Kontakt- und Begegnungsmöglichkeiten litten während der Corona-Zeit besonders Kinder und Jugendliche – mit Folgen für ihre Gesundheit. Auch darauf muss der Flüchtlingsgipfel der Bundesregierung am 10. Mai Antwort geben.

Das Interview führte Maritta Böttcher.


Kontakt zur Fraktion:

Fraktion DIE LINKE/Die PARTEI
im Kreistag Teltow-Fläming

Zinnaer Straße 36
14943 Luckenwalde

Telefon: (03371) 63 22 67
Telefax: (03371) 63 69 36

E-Mail an die Fraktion