Diese Website verwendet Cookies. Warum wir Cookies einsetzen und wie Sie diese deaktivieren können, erfahren Sie unter Datenschutz.
Zum Hauptinhalt springen

TF soll eigenständig bleiben! Anhörung im Innenausschuss des Landtags zum Leitbild der Landesregierung - Landrätin nimmt Stellung

Anhörung im Ausschuss für Inneres und Kommunales des Landtages Brandenburg zur Verwaltungsstrukturreform 2019, 2. Juni 2016

Sehr geehrte Damen und Herren,

herzlichen Dank für Ihre Einladung zu der heutigen Anhörung. Gestatten Sie mir eine Vorbemerkung: Aus der Einladung zur Anhörung geht nicht eindeutig hervor, welches der dort aufgezeigten Dokumente der konkrete Anhörungsgegenstand sein soll. Überdies war die Einladungsfrist – vom 25. April 2016 bis heute – zu kurz. Unter diesen Bedingungen konnte der Kreistag Teltow-Fläming keine Stellung zur Beschlussempfehlung des Ausschusses für Inneres und Kommunales zum Entwurf des Leitbildes für die Verwaltungsstrukturreform 2019 nehmen. Das ist aber erforderlich, da der Landkreis als Selbstverwaltungskörperschaft von einer Kreisgebietsreform betroffen ist. Ich beziehe mich deshalb auf einen Kreistagsbeschluss vom 27. April 2015 zum Entwurf des Leitbildes für eine Verwaltungsstrukturreform 2019 der Landesregierung. Der Kreistagsbeschluss soll in seinen grundsätzlichen Aussagen weiterhin Bestand haben, wie der Kreisausschuss des Landkreises Teltow-Fläming am 23. Mai 2016 einmütig beschlossen hat.

Kreistag Teltow-Fläming für die Eigenständigkeit des Landkreises

Dass eine umfassende Funktional–, also Aufgabenreform der Landes- und Kreisverwaltung, erforderlich ist, bestreitet niemand. Der Kreistag Teltow-Fläming forderte das auch in seinem Beschluss vom 27. April 2015. Diese muss, so die Abgeordneten, mit einem ausgewogenen Finanzierungskonzept verknüpft sein. Der Landkreis dürfe nicht zerschlagen werden, müsse eigenständig bleiben, Bürgernähe und Mandatsarbeit sollten durch angemessene Verwaltungsstrukturen gesichert sein.

Potenzial für eigenständige Zukunft vorhanden

Der Landkreis Teltow-Fläming hat das Potenzial, auch in Zukunft eigenständig bestehen zu können. In Teltow-Fläming leben derzeit 165.320 Menschen – und weitere Zuwächse werden prognostiziert. Teltow-Fläming ist 2.092 Quadratkilometer groß und damit auf Platz 25 aller Landkreise in Deutschland. Er gehört zu den wirtschaftsstärksten Landkreisen im Osten, wovon entscheidend die Exportquote des Landes Brandenburg profitiert. Dass Teltow-Fläming ein Landkreis mit Zukunft ist, hat erneut eine Studie – der Zukunftsatlas 2016 - bestätigt. Das Wirtschaftsinstitut Prognos AG untersuchte alle 402 Landkreise und kreisfreien Städte in Deutschland. Es bewertete die Ergebnisse nach Kriterien wie demografische Entwicklung, Innovationskraft und wirtschaftliche Dynamik und listete die Kreise und kreisfreien Städte nach Rängen. Teltow-Fläming liegt auf Platz 285 und gehört damit zu den nicht einmal 20 Kommunen in Ostdeutschland, denen Prognos ein ausgeglichenes Verhältnis von Chancen und Risiken attestiert. In der Kategorie Dynamik liegt der Landkreis bundesweit sogar auf Platz 51, in der Kategorie Innovation auf Platz 105. Im vorderen Mittelfeld Platz 175 liegt Teltow-Fläming in der Kategorie Demografie. Teltow-Fläming verfügt über eine leistungsfähige Verwaltung mit 850 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den letzten drei Jahren sind erhebliche Anstrengungen unternommen worden, die Schulden abzubauen und den Kassenkredit drastisch zu reduzieren. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Landkreises soll in der mittelfristigen Finanzplanung wieder hergestellt werden. Kurz: Es gibt viele gute Gründe dafür, warum der Landkreis Teltow-Fläming weiterhin eigenständig bleiben kann und muss.

Konsenslinie zum Reformziel wurde verlassen

Wir haben die Diskussion zum Leitbild der Landesregierung genau verfolgt, uns in den Regionalkonferenzen aktiv eingebracht und die entsprechenden Dokumente studiert. Was aus einem Jahr Diskussion bleibt ist der Eindruck, dass die bereits in der Enquetekommission 5/2 beschriebene Konsenslinie zum benannten Reformziel - die kommunale Selbstverwaltung zu stärken durch eine umfassende Funktionalreform - verlassen worden ist. Die deutlich abgespeckte Vorschlagsliste für die Kommunalisierung von Aufgaben, die überdies unter einem Kosten- und Finanzierungsvorbehalt des Landtages steht, wird einer umfassenden Funktionalreform nicht gerecht.

Regeleinwohnerzahl muss verändert werden

Weil die Form, sprich Struktur, der Aufgabe folge, fehlt die Grundlage, die Regeleinwohnerzahl von 175.000 als Kriterium für eine Gebietsreform festzulegen, woraus sich im Übrigen die gewaltigen Kreisgrößen nach Vorstellung der Landesregierung von bis zu 5.000 Quadratkilometern ergeben würden. Nimmt man die Landesregierung beim Wort, dass der Umfang der Funktionalreform maßstabgebend für die Ausgestaltung der Gebietsreform sein soll, so sind eine erneute Überprüfung und Veränderung der Eckwerte für Regeleinwohnerzahl und Fläche unumgänglich. Ich darf darauf hinweisen, dass sich im neuen Dokument der Landtag vorbehält, für die einzukreisenden kreisfreien Städte die Frage der Regeleinwohnerzahl erneut aufzuwerfen. Dies sollte dringend auch für die Landkreise gelten.

Ankerstädte im ländlichen Raum stärken

Von den fünfundzwanzig der Fläche nach größten Landkreisen in der Bundesrepublik Deutschland liegen acht Landkreise in Brandenburg und sechs in Mecklenburg-Vorpommern. Von den fünfzig der Einwohnerzahl nach größten Landkreisen in der Bundesrepublik Deutschland liegt kein einziger in Brandenburg. Vielleicht ist für das Flächenland Brandenburg in Gänze weniger das Thema Großkreisstrukturen aufgerufen als vielmehr das Thema: Wie gehen wir zukünftig unter den sich verändernden demografischen und finanzpolitischen Bedingungen mit dem strukturschwachen ländlichen Raum um? Ich denke, dass dabei an den kleinen Ankerstädten im ländlichen Raum kein Weg vorbei führt - Stichwort Grundzentren. Sie bedürfen der besonderen und nachhaltigen Förderung.

Ehrenamtliche Mandatsarbeit muss zumutbar sein

Der Kreistag Teltow-Fläming hat angemahnt, dass Kreisgebiet und Verwaltungsstrukturen angemessen und überschaubar sein müssen, um die ehrenamtliche Mandatsarbeit zu gewährleisten. Die in der Verfassung verankerte Selbstverwaltungsgarantie erfordert Augenmaß bei Einwohnerzahl und Fläche. In diesem Sinne geht es nicht nur, wie im Leitbildentwurf ausgeführt, um „vertretbare“ Bedingungen für die ehrenamtliche Mandatsarbeit im Kreistag, sondern darum, dass diese Bedingungen auch zumutbar sind. Die Überschaubarkeit und angemessenheit von Verwaltungs- und Mandatsstrukturen sind ein nicht zu uterschätzender Faktor für demokratische, staatliche und politische Handlungsfähigkeit.

Zur Illustration: Im Kreistag Teltow-Fläming sind von den 56 Abgeordneten 43 berufstätig. Das sind 76,8 Prozent. Deshalb wundert es nicht, dass die ersten Initiativen nach der Kreistagswahl im Jahr 2014 fraktionsübergreifend auf die Verlagerung der Anfangszeiten der Kreistagssitzungen und Ausschüsse von 17 auf 19 Uhr gerichtet waren. Dass die Sitzungen letztendlich weiterhin bereits 17 Uhr beginnen, liegt auch daran, dass nach Sitzungsende und aufgrund der Entfernungen vom Sitzungs- zum Heimatort viele Abgeordnete die Ruhezeiten entsprechend dem Arbeitsschutzgesetz nicht mehr einhalten könnten. Mindestens eine Stunde Fahrtzeit zum Sitzungsort, ohne Verkehrseinschränkungen gerechnet, muss heute schon ein Großteil der Abgeordneten auf sich nehmen. Noch größere Entfernungen nach einer Kreisgebietsreform würden ihre Arbeit erschweren und die Zumutbarkeit infrage stellen. Ich darf daran erinnern, dass der Landkreis Teltow-Fläming 1993 aus den Altkreisen Zossen, Jüterbog und Luckenwalde entstanden ist.

Kein starres Sektoral-Korsett

Im Leitbild wird das Konzept der strahlenförmig um Berlin angeordneten Verwaltungseinheiten bis zur Landesgrenze bzw. das Sektoralprinzip bemüht. All das solle dazu dienen, gleichwertige Lebensverhältnisse zu schaffen. Allerdings ist das sogenannte Sektoralprinzip das Gegenteil von Ausgewogenheit. Es entstehen keine homogenen Gebilde, sondern wirtschaftlich und einwohnerstarke Ballungsbereiche im Berliner Umland mit struktur- und wirtschaftsschwächeren Großflächengebieten.

Notwendig aber ist kein starres Sektoralkorsett, sondern die Beachtung raumordnerischer Bedingungen im Flächenland Brandenburg und der gewachsenen kulturellen, historischen und wirtschaftlichen Bindungen und Beziehungen der Regionen.

Keine Zusammenlegung von Teltow-Fläming und Elbe-Elster

Obwohl in den Dokumenten noch keine konkreten Großkreisstrukturen benannt sind, wird ganz offen über die Zusammenlegung der Landkreise Elbe-Elster und Teltow-Fläming gesprochen. Und es wird gesagt, dass Elbe-Elster doch nicht „übrig“ bleiben dürfe. Ich habe eine Weile gebraucht, um das zu verstehen. Mit dem Großkreis-Paket – also der Idee, Dahme-Spreewald, Spree-Neiße und Cottbus zu einer Verwaltungseinheit zu verschmelzen – weiß ich nun, was sich hinter der „Nicht-übrig-bleiben-Politik“ verbirgt. Die Zusammenlegung der Landkreise Teltow-Fläming und Elbe-Elster mit einer Ausdehnung von Berlin bis Sachsen ist aus unserer Sicht der falsche Weg. Außer der B101 gibt es mit Elbe-Elster kaum Berührungspunkte, während uns hingegen mit dem Landkreis Dahme-Spreewald Geschichte und Kultur, der Wirtschaftsraum des Großflughafens sowie wirtschaftliche Verflechtungen und eine gemeinsame Entwicklungsgesellschaft verbinden.

Ausgewogenes Finanzkonzept fehlt

Der Landtag forderte am 17. Dezember 2014 ein ausgewogenes Finanzierungskonzept für eine umfassende Verwaltungsstrukturreform. Die Landkreise, Städte und Gemeinden sollten dauerhaft leistungsfähig bleiben. Ein an diesen Anforderungen überarbeitetes Finanzierungskonzept liegt nicht vor. Bisher gibt es lediglich Eckpunkte mit Zahlen zur Teilentschuldung, Anschubfinanzierung und zum Einsatz von Landesfinanzen und Mitteln aus der kommunalen Finanzmasse. Es drängt sich der Eindruck auf, dass zukünftig vor allem über die Großkreise und die von den kreisangehörigen Gemeinden und Städten getragene Kreisumlage die in der Verfassung gebotene Angleichung der Lebensverhältnisse in den neuen Großkreisstrukturen erfolgen soll und darunter die „dauernde Handlungsfähigkeit“ verstanden wird.

Die Kreisumlage in Teltow-Fläming beträgt 47 Prozent. Damit gehört der Landkreis heute schon zu den Landkreisen mit der höchsten Kreisumlage. Unsere Kommunen im so genannten Speckgürtel haben aufgrund der enormen Zuzugsbewegungen Vorsorge in Bildung und sozialer sowie verkehrlicher Infrastruktur zu leisten. Die Gemeinden und Städte im strukturschwachen ländlich geprägten Süden sind gefordert, Mobilität, Gesundheit, Bildung, Kultur und Sport zu sichern. Die großen Zukunftsfragen für den strukturschwachen ländlichen Raum in Brandenburg bedürfen für die dauernde Handlungsfähigkeit innovativer Konzepte, die über das Mittel der Kreisumlage hinausgehen.

Fazit

Gemessen allein an den eigenen landespolitischen Vorgaben für eine Kreisneugliederung (Beschluss des Landtags vom 17.12.2014)

  • umfassende Funktionalreform
  • Gesamtfinanzierungskonzept für eine dauerhafte Handlungsfähigkeit der Landkreise, Städte und Gemeinden

sind die vorgelegten Dokumente nicht zustimmungsfähig.

Kornelia Wehlan, Landrätin des Landkreises Teltow-Fläming